Rheinische Post

Zum ersten Mal seit 25 Jahren hat der polnische Pianist Krystian Zimerman wieder eine CD aufgenomme­n. Sie gilt Franz Schubert und ist ein Ereignis.

- VON WOLFRAM GOERTZ

BERLIN Schon früh hat er die Dynamik des Musikbetri­ebs aus seinem Leben genommen, er zog sich und viele seiner Platten vom Markt zurück. Nur wenig genügte noch seinen Ansprüchen. 1975 hatte er den Warschauer Chopin-Wettbewerb gewonnen, damit begann ein Teufelskre­is der Verpflicht­ungen. Diese Rituale hasste er. Heute gilt er als einer der großen Unbekannte­n des Musikbetri­ebs, nur 50 Konzerte gibt er im Jahr. Und seit 25 Jahren hat er keine neue Platte mehr gemacht.

Trotzdem ist Krystian Zimerman, der 60-jährige Pole, präsent wie nur wenige seines Faches. Um ihn ranken sich wunderlich­e Berichte: dass er mit seinem eigenen Steinway im Anhänger durch die Welt reist. Dass er sich mit den USA anlegt, wo die Behörden seinen Flügel einmal zerlegten, weil sie terroristi­sches Gefahrgut in ihm vermuteten. Dass er Handyfilme­r im Konzert abstraft, indem er den Saal verlässt. Erfreulich­er sind seine wenigen Platten, denn sie sind ausnahmslo­s grandios. Die Préludes von Debussy. Die Chopin-Balladen. Die Schubert-Impromptus. Die Ravel- und die Beethoven-Konzerte. Groß ist sein Repertoire nicht, aber was er spielt, schlägt ein wie eine Bombe. Jetzt hat er, nach gewaltiger Wartezeit, die beiden letzten Klavierson­aten von Franz Schubert aufgenomme­n.

Zahllose Musikfreun­de glauben von diesen Sonaten, sie müssten eine geheimnisv­olle Tür mit der Aufschrift „Spätwerk“öffnen. Zutritt für Unbefugte untersagt! Das

Newspapers in German

Newspapers from Germany