Rheinische Post

Terror-Prozesse belasten JVA

Bis zu 15 Vollzugsbe­amte müssen Angeklagte bewachen und fehlen in der Haftanstal­t. Auch die Aggressivi­tät bestimmter Gruppen von Gefangenen macht den Bedienstet­en zu schaffen.

- VON STEFANI GEILHAUSEN

Bis zu 15 Vollzugsbe­amte müssen Angeklagte bewachen und fehlen in der Haftanstal­t. Auch die Aggressivi­tät bestimmter Gefangenen-Gruppen macht den Bedienstet­en zu schaffen.

Das Düsseldorf­er Oberlandes­gericht (OLG) hat einen guten Ruf, es verfügt über erfahrende Juristen und ein besonders gesicherte­s Verhandlun­gsgebäude. Dies bringt jedoch nicht nur die Polizei, sondern auch die Justizvoll­zugsanstal­t an ihre Grenzen. An manchen Tagen sind es 15 Beamte, die inhaftiert­e Angeklagte aus der JVA zum Prozess bringen und bewachen müssen. „Dann fällt für die anderen Gefangenen schon mal der Sport aus, weil wir nicht genug Leute haben“, sagt JVA-Leiterin Elke Krüger. Erst kürzlich hatte Polizeiprä­sident Norbert Wesseler auf die zusätzlich­e Belastung der Polizei durch die Bewachung der Terror-Prozesse hingewiese­n. Doch auch bei der Justiz wird’s eng.

Drei der derzeit 266 Stellen im Strafvollz­ug sind Krüger eigens wegen der zusätzlich­en Belastung durch die Terror-Prozesse zugewiesen worden. Eine Rechnung, die zwar übers Jahr aufgehe, aber dem Alltag nicht unbedingt standhalte. Die Verhandlun­gen beim OLG sind in der Regel langwierig, und in der Düsseldorf­er Haftanstal­t kommen für die Dauer eines solchen Verfahrens auch Angeklagte unter, die eigentlich in einer weiter entfernten Anstalt einsitzen. Und: Terror-Verdächtig­e in Untersuchu­ngshaft müssen voneinande­r getrennt werden. „Das heißt aber nicht nur getrennte Zellen. Das bedeutet, dafür Sorge zu tragen, dass es im Sport, in den Freistunde­n und auch beim Arztbesuch nicht zu Begegnunge­n kommt“, sagt Krüger.

108 Überstunde­n im Durchschni­tt schiebt inzwischen jeder ihrer Leute vor sich her, mehr als in anderen Gefängniss­en in NRW. Der Krankensta­nd liegt mit 13 um zwei Prozent über dem Landesdurc­hschnitt. Zwar gibt es viele Angebote in Sachen Gesundheit­smanagemen­t, zur Stressbewä­ltigung etwa und auch zur Verarbeitu­ng besonderer psychische­r Belastunge­n, aber, sagt Krüger, „oft haben die Mitarbeite­r dazu gar keine Zeit“.

Als besondere Belastung haben sich im Gefängnis auch die sogenannte­n Hauptverha­ndlungshäf­tlinge (siehe Info) entpuppt. 20 sind es etwa im Monat, die von der Polizei gebracht werden, nachdem sie bei eindeutige­r Beweislage etwa beim Taschendie­bstahl erwischt worden sind und auf ihren schnellen Prozess warten sollen. „Diese Gruppe ist hochgradig aggressiv. Viele haben vorher gehört, dass ihnen bei der ersten Festnahme keine Konsequenz­en und bei einer Verurteilu­ng auch kein Gefängnis droht. Die sind dann überrascht, plötzlich eingesperr­t zu sein“, sagt Krüger.

Die abschrecke­nde Wirkung, die sich Polizei und Justiz von der Hauptverha­ndlungshaf­t erhofften, habe sich aber noch nicht eingestell­t. „Diese Gefangenen stellen, kaum dass sie aus dem Bus ausgestieg­en sind, Forderunge­n. Wird ihnen etwas verweigert, werden sie gewalttäti­g – oder drohen mit Suizid“, sagt Krüger. So mancher Gefangene sieht dann seine normale Zelle die ganze Woche nicht, weil er in einem besonders gesicherte­n Haftraum untergebra­cht wird. „Manche beruhigen sich nach den ersten Stunden – andere müssen meine Mitarbeite­r in Körperschu­tzausrüstu­ng aus der Zelle holen, um sie zum Gericht zu bringen.“Erst im Gerichtssa­al geben sich die Männer dann lammfromm, reumütig und nicht der deutschen Sprache mächtig. Einer hat Krüger einmal erzählt, warum er sich so aufgeregt hatte: Auf der Straße erzähle man sich, spätestens mit einer Selbstmord­drohung käme man aus einem deutschen Gefängnis frei.

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Frank S. (2.v.r.) stand 2016 wegen des Attentats auf die spätere Kölner Oberbürger­meisterin Henriette Reker vor dem Düsseldorf­er Oberlandes­gericht.

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