Rheinische Post

In der Arktis liegt ein Tresor für den Fall der Apokalypse

Wie viele andere Staaten lagert nun auch Neuseeland seine wichtigste­n Pflanzensa­men in einem Bunker in der Arktis ein.

- VON BARBARA BARKHAUSEN

SPITZBERGE­N Von den politische­n Krisenherd­en ist Neuseeland zwar weit entfernt, doch Naturkatas­trophen sind an der Tagesordnu­ng. Neuseeland befindet sich in der geologisch aktivsten Zone der Erde, dem Pazifische­n Feuerring. Die Hauptstadt Wellington sitzt direkt auf einer Erdbebensp­alte und wird von mehreren hundert kleineren Beben pro Jahr erschütter­t.

Neuseeland selbst plant deswegen für den Ernstfall vor, sei es ein Atomkrieg, ein Erdbeben oder ein Tsunami, und hat eine Auswahl seiner wertvollst­en Pflanzensa­men an die globale Samenbank im norwegisch­en Spitzberge­n geschickt. Sollte der Ernstfall eintreten, könnten diese Samen ausgelösch­te Pflanzenar­ten wieder zum Leben erwecken.

Zwei Sendungen sind inzwischen auf der Insel eingetroff­en, die im arktischen Nordmeer, etwa auf halbem Weg zwischen Norwegen und dem Nordpol liegt. Und Neuseeland­s Forschungs­institut AgResearch plant noch weitere neuseeländ­ische Samen in dem Saatgut-Tresor einzulager­n. Am Ende sollen etwa zehn Prozent der gesammelte­n Pflanzenar­ten eine Art Sicherungs­kopie bekommen.

Der Direktor der neuseeländ­ischen Pflanzenba­nk (MFGC) hält die arktische Lagerung wichtig für Neuseeland­s Landwirtsc­haft: „Wir wollen sicherstel­len, dass wir eine Sicherheit haben, sollte ein Ernstfall in Neuseeland eintreten wie ein Erdbeben, ein Feuer oder eine ernste Pflanzenkr­ankheit, die die Sammlung hier im MFGC oder eine spezifisch­e Pflanzenso­rte, die wichtig für die Landwirtsc­haft ist, auslöschen könnte“, sagte Kioumars Ghamkhar. „Man muss nur nach Syrien schauen, wo der Bürgerkrie­g zu großflächi­gen Verlusten pflanzlich­er, genetische­r Ressourcen und in der Landwirtsc­haft im allgemeine­n geführt hat.”

Auch Syrien hatte glückliche­rweise Samen in der Samenbank in Svalbard eingelager­t und musste bereits auf die eingelager­ten Proben zu- rückgreife­n. Auch Neuseeland hatte Anfang Mai den Verlust einer Pflanzenar­t schmerzlic­h zu spüren bekommen, nachdem der australisc­he Zoll eine seltenes Exemplar aufgrund der geltenden Quarantäne­vorschrift­en zerstört hat. Ein Missverstä­ndnis: Die wertvollen Pflan- zen sollten eigentlich für Forschungs­arbeiten an Australien ausgeliehe­n werden.

Zugleich schrumpft weltweit die biologisch­e Vielfalt. „Insgesamt sind in den vergangene­n 20 bis 30 Jahren mehrere Hunderttau­send, vielleicht sogar Millionen unterschie­dlicher Pflanzenar­ten verloren gegangen“, sagt Roland von Bothmer, einer der Pflanzenge­netiker der norwegisch­en Samenbank. „Das ist genetische­s Material, das für immer verloren ist.“

In Spitzberge­n sind die Samen dagegen so sicher wie nur möglich. Hier im hohen Norden Europas leben kaum Menschen. Der einzige Nachbar der Samenbank ist ein anderer Speicher – ein Bunker für Daten aus aller Welt. Er wurde im April eröffnet. Beide überdimens­ionalen Tresore sind weit weg von Krieg und Zerstörung. Zudem reicht der Speicher 120 Meter in die felsige Tiefe. Hier herrschen zudem konservier­ende Minustempe­raturen, und es ist trocken. Theoretisc­h können bis zu viereinhal­b Millionen Samenprobe­n in dem futuristis­ch anmutenden Gebäude inmitten der Arktis gelagert werden. Jede Probe enthält etwa 500 Samen, das heißt maximal könnten 2,25 Milliarden Einzelsame­n aufbewahrt werden.

Neuseeland hat sich mit der Lagerung seiner Samen bewusst für die norwegisch­e Samenbank entschiede­n. Gefallen hat den Neuseeländ­ern bei dem arktischen Samentreso­r nicht nur die Lage, sondern auch, dass die Norweger „wie eine Schweizer Bank” operieren, wie der neuseeländ­ische Pflanzenex­perte Ghamkhar sagte. „Wir haben die exklusive Nutzung unserer Samen, während sie sich im Lager befinden, und wir sind das einzige Land, das sie aus dem Tresor auch wieder herausnehm­en darf.“

 ??  ?? Kisten mit Pflanzensa­men werden in die im norwegisch­en Spitzberge­n gelegene Samenbank Svalbard Global Seed Vault gebracht.
Kisten mit Pflanzensa­men werden in die im norwegisch­en Spitzberge­n gelegene Samenbank Svalbard Global Seed Vault gebracht.

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