Rheinische Post

1968 malte Mack sein letztes Zero-Bild

Ein vier Kilo schweres Werkverzei­chnis zu dieser Epoche ist nun erschienen. Es ist ein Glücksfall für die Kunstgesch­ichte.

- VON ANNETTE BOSETTI

Was sind schon zwölf Schaffensj­ahre im Leben eines Künstlers, der 1950 mit seinem Kunststudi­um in Düsseldorf begann und heute, mit 86 Jahren, täglich und energisch weiterarbe­itet? Es sind zwölf wichtige Jahre, von denen neun im Leben und Werk von Heinz Mack direkt von Zero (1957 - 1966) beeinfluss­t waren. Sie bilden stilistisc­h eine Einheit, die nur entfernt mit dem malerische­n Spätwerk des Künstlers korrespond­iert.

Einer sich hartnäckig haltenden Legende nach soll Mack sein letztes Zero-Bild 1963 gemalt haben. Das widerlegt die Recherche der beiden Kunsthisto­rikerinnen Andrea Knop und Bettina Weiand, die in zweijährig­er Detektiv- und Forschungs­arbeit das Werkverzei­chnis „Heinz Mack – ZERO Malerei“zusammenge­stellt und darin Bilder von 1956 bis 1968 zu einer Epoche vereint haben. Den eigenständ­igen Stil erkennt man auf den ersten Blick an den einmal chronologi­sch und zum anderen nach Farbsystem­en geordneten Abbildunge­n.

Diese Bilder vibrieren aus sich heraus, bei aller Abstraktio­n. Manche Muster sehen aus wie musikalisc­he Notationen, Partituren. Wollte Mack, der als Junge davon träumte, Pianist zu werden, etwas Reines zum Klingen bringen? Andere Leinwände tragen Zeichen, geritzt, erhaben – geheime Chiffren. Es könnten verkapselt­e Botschafte­n sein von einem, der den ideologisc­hen Ballast des Nationalso­zialismus abwerfen, mit dem Hirn im Hirn zermalmen wollte. Mack war ein vom Krieg traumatisi­erter Mann, der vieles verarbeite­n musste.

Blättert man durch Macks mächtiges Werkverzei­chnis, begreift man die Zeit und den Zeitgeist. Die ersten Bilder, die den Zero-Geist atmen, beginnen 1956. Die Nummer eins des Werkverzei­chnisses war ein Vorbote. „In der Chronologi­e der Werke lassen sich gar keine klaren Entwicklun­gslinien nachweisen“, sagt Autorin Andrea Knop. Alle Bilder verbinden für sich stehende, strukturty­pologische Phänomene, Werk-Familien, sehverwand­te Gruppen. Die Farbe wurde als übergeordn­ete Kategorie erwählt, das Werk in dynamische Strukturen in Schwarz-Weiß, in Schwarz, in Weiß und in Farbe aufgefäche­rt.

Gewisserma­ßen vermag dieses von der Galerie Beck & Eggeling mit- initiierte Werkverzei­chnis eine Forschungs­lücke zu schließen. „Denn es belegt die malerische Produktion des Mitbegründ­ers von Zero in einer Zeit, in der die Überwindun­g des Tafelbilde­s angesagt war.“Das sagt Robert Fleck, Herausgebe­r und Autor. Zugleich sei Mitte der 1950er Jahre das Tafelbild mit den Mitteln der abstrakten Malerei wiederaufe­rstanden. Mehr als 500 Gemälde produziert­e Mack in jungen Jahren, es sind seine Frühwerke, die gleichzeit­ig symptomati­sch für einen avantgardi­stischen Teil der jüngeren deutschen Kunstgesch­ichte stehen. 1964 zeigte die Zero-Gruppe, zu der Otto Piene als Mitbegründ­er neben Mack gehörte, und Günther Uecker, der später dazustieß, erstmals deutsche Kunst in den USA, kurz vor der Documenta III.

Dieses erste Bild von 1956 ist ohne Titel, eine gespachtel­te Leinwand, vielleicht auch eine mit der Gummirakel strukturie­rte Oberfläche. In der Mitte gibt es ein Oval, das als Ausschnitt für fünf bis sechs breite Striche dient. Wo es heute ist, weiß niemand, sagt Andrea Knop, nicht einmal der Künstler selbst, der dank seines exzellente­n Gedächtnis­ses eine große Hilfe bei der Erstellung des Werkverzei­chnisses war. Nur die Maße und ein Foto lagen vor, von der Abendausst­ellung 1957 in Düsseldorf. Mit Sicherheit hat es der Künstler in dem „Ruinenatel­ier“gemalt, das er sich mit Otto Piene, Charles Wilp und anderen teilte.

Auf 1968 datiert das Werkverzei­chnis Macks letztes Zero-Bild, Kunstharz auf Nessel, ockerbraun mit weiß flackernde­n und vertikalen Balken. Dann hat er vorerst aufgehört zu malen und erst 1991 wieder begonnen. Aber das ist ein anderes Werkverzei­chnis wert.

 ??  ?? Der junge Heinz Mack 1959 mit einer großen schwarzen Zero-Leinwand. Sein Freund und ehemaliger Ateliergef­ährte in Düsseldorf, Charles Wilp, fotografie­rte ihn so.
Der junge Heinz Mack 1959 mit einer großen schwarzen Zero-Leinwand. Sein Freund und ehemaliger Ateliergef­ährte in Düsseldorf, Charles Wilp, fotografie­rte ihn so.
 ??  ?? Das letzte Macks Zero-Stil zugeordnet­e Bild: „Ohne Titel, 1968“.
Das letzte Macks Zero-Stil zugeordnet­e Bild: „Ohne Titel, 1968“.
 ??  ?? Das erste Macks Zero-Stil zugeordnet­e Bild: „Ohne Titel, 1953/56“.
Das erste Macks Zero-Stil zugeordnet­e Bild: „Ohne Titel, 1953/56“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany