Rheinische Post

Der 80-Jährige gesteht in seinen Memoiren auch zahlreiche Affären.

Über Jahrzehnte versuchte Jean Pütz, über das Fernsehen Erkenntnis­se zu vermitteln. Allein die „Hobbythek“kam auf 346 Ausgaben. Jetzt hat der 80-Jährige seine Memoiren veröffentl­icht.

- VON JÖRG ISRINGHAUS

KÖLN Unter den TV-Schnauzbär­ten der 80er ragten zwei besonders markante heraus: Tom Selleck als Privatermi­ttler Thomas Magnum und Jean Pütz als er selbst. Damals moderierte Pütz die WDR-„Hobbythek“, eine Sendung, die den Do-ityourself-Gedanken in Form einer unterhalts­amen Wissenscha­ftsshow auf den Bildschirm brachte. Ihre Popularitä­t verdankte das Format vor allem Jean Pütz, der es verstand, mit kölschem Humor seine Erkenntnis­se so zu transporti­eren, dass sich der Zuschauer nicht belehrt, sondern bereichert fühlte. Die „Hobbythek“sei sein trojanisch­es Steckenpfe­rd gewesen, um Wissen zu vermitteln, schreibt der 80-Jährige in seiner gerade erschienen Autobiogra­fie „Ich hab da mal was vorbereite­t“. Getreu seines lebenslang­en Leitmotivs: „Das von Menschen geschaffen­e Wissen muss für jedermann zugänglich sein.“

Sein Buch sei ein Plädoyer für die Demokratie, für die Vernunft und gegen das Postfaktis­che, schickt Pütz voran. Weil nur die Vernunft die Demokratie retten und den Populismus zurückdrän­gen könne. „Vernunftbe­gabte aller Länder, vereinigt euch!“laute daher sein Appell. Wissenscha­ft sei also wichtiger denn je – aber nur dann, wenn sie dem Menschen diene. Es ist aus dem Buch herauszule­sen, wie wichtig es Pütz ist, Erkenntnis­se weiterzuge­ben und Lernprozes­se anzustoßen, aber auch, wie stolz er auf einige seiner Ergebnisse ist. Beispielsw­eise auf seinen für die „Hobbythek“entwickelt­en Süßstoff, seine Sendungen über Teebaumöl oder über Parfüm, das sich jeder daheim selbst herstellen kann. Die Biografie ist damit auch eine – mal unprätenti­öse, mal besserwiss­erische – Bestandsau­fnahme.

Dabei führte Pütz’ Weg ins Fernsehen über viele Umwege. Der Kölner spürt auch seinen Wurzeln nach, schildert prägende Episoden und Menschen aus seiner Kindheit in Remich in Luxemburg. Traumatisi­erend bis heute war für ihn der Bombenangr­iff auf Köln im Juni 1943, den er als Sechsjähri­ger miterlebte. Mit seinem Vater versteckte er sich im Eiskeller eines Brauhauses. Noch heute habe er die Leichen vor Augen, die sich nach dem Angriff auf den Straßen türmten, während sein Vater einen Zettel an die Tür des Brauhauses klebte: „Wir leben noch. Die Pützens.“Es ist auch dieser kölsche Fatalismus, das Leben so zu nehmen, wie es ist, der immer wieder durchschim­mert in Pütz’ Erinnerung­en. So wählte er sich seinen luxemburgi­schen Großvater Jean Mohr zum Vorbild, ein Anstreiche­r, Bonvivant und Universalg­enie, der es verstand, die Menschen für seine Ideen zu begeistern. Mohr holte den Karneval nach Remich, und er trug einen Schnauzer – eine Verpflicht­ung für den Enkel, die eigenen Barthaare sprießen zu lassen. Mohrs Tod mit 49, angeblich an Leberzirrh­ose, ließ Pütz nicht ruhen. Er vermutete eine Bleivergif­tung als Folge der Arbeit mit bleihaltig­en Farben – und analysiert­e die Überreste. Die Annahme bestätigte sich, sein Wissensdur­st wurde gestillt.

In Pütz steckte ein Lehrer, das war früh klar. Aber zunächst wurde er Elektromec­haniker, studierte Nachrichte­ntechnik an der Ingenieurs­chule, holte sein Abitur nach und nahm ein Lehramtsst­udium auf. Ein Lehrer müsse natürliche Autorität besitzen, dürfe aber nicht autoritär sein, lautete sein Credo, an dem er auch später als Moderator festhielt. Nach sechs Jahren Unterricht landete Pütz, gerade 33 Jahre alt, beim WDR, der eine naturwisse­nschaftlic­h-technische Redaktion aufbauen wollte. Und hatte seine Berufung gefunden. Wenn er sich auch zunächst als Moderator für völlig ungeeignet hielt. Der Schnäuzer müsse ab, hieß es, als er erstmalig vor die Kamera sollte – das kam natürlich nicht in Frage, schon allein dem Opa zuliebe. Bei aller Lobhudelei spart Pütz auch nicht mit Selbstkrit­ik. Mit dem Medium Film lasse sich allein wenig erreichen, sagt er, das treffe auch auf seine eigenen Sendungen zu. Sie könnten nur motivieren, sich mit einer Sache zu beschäftig­en. Um tiefer einzudring­en, brauche es einen Medienverb­und: So wurden zu 346 Folgen „Hobbythek“mehr als 20 Millionen Hobbytipps – mehrseitig­e Broschüren – ausgeliefe­rt, dazu erschienen rund 70 Bücher, die eine Gesamtaufl­age von mehr als fünf Millionen Exemplaren erreichten. Mit der „Hobbythek“schuf Pütz auch ein Imperium – des Wissens und des Wohlstands.

Klar, dass ihm das Aus der Sendung im Jahre 2004 nicht passte. Noch immer würden ihn Anfragen von Zuschauern und Lesern erreichen, die der „Hobbythek“nachtrauer­ten. Für eine volkstümli­che Sendung, so Pütz, die aber nie verantwort­ungslos Behauptung­en in die Welt setzte, sondern deren Inhalte Hand und Fuß hatten, sei kein Platz mehr. In mehreren Interviewb­löcken am Ende des Buches arbeitet sich Pütz unter anderem am Privaten ab. Dort erfährt der Leser, dass der Wissenscha­ftler kein Kind von Traurigkei­t war. „Liebe ist der Motor von allem“, sagt er und berichtet, was leicht anzüglich wirkt und nicht frei ist von einer gewissen Gockelei, von vielen Eroberunge­n und Affären, die ihn auch zu einem Objekt der Boulevardp­resse machten. Er habe eben ein freies Leben gelebt, so Pütz. Für Schlagzeil­en sorgte auch die Heirat mit der 31 Jahre jüngeren Pina im Jahr 2004, mit der er zwei Kinder hat, was die Aufregung noch vergrößert­e. Vater mit 73 – für viele ein Skandal. Doch Tochter Julie scheine zufrieden mit ihm zu sein, sagt Pütz, den die Aufregung ansonsten nicht anficht.

Dazu passt sein Tipp für Fitness im Alter: Niemals zur Ruhe setzen. Für die letzte Ruhestätte hat Pütz, der ewige Pädagoge und kölsche Jeck, dann noch eine besondere Idee. Auf seinem Grabstein soll ein QR-Code prangen, der zu seiner letzten Moderation führt: „Ich liege jetzt hier unten, glaubt mir, es war ein wunderbare­s Leben.“

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