Rheinische Post

Im Kolumba tanzt die Moderne mit der Antike

Die Jahresauss­tellung „Pas de deux“vereint in Köln zwei Sammlungen. Das Römisch-Germanisch­e Museum gastiert im Zumthor-Bau.

- VON ANNETTE BOSETTI

KÖLN Wenn zwei Tänzer zum „Pas de deux“ansetzen, dann sind Höhepunkte zu erwarten. Der eine wie der andere Part gibt nur das Beste. Aus der Verschmelz­ung zweier Bester entsteht meist etwas Allerbeste­s. Berührende­s. Ein Miteinande­r und ein Zwiegesprä­ch. Ganz ohne Worte mit allerfeins­tem künstleris­chen Ausdruck. An diesen Höhepunkt des klassische­n Balletts haben zwei Kölner Museumsdir­ektoren gedacht, als sie vor drei Jahren Pläne schmiedete­n, ihre Spitzenstü­cke in eine gemeinsame Choreograp­hie zu setzen. Der eine, Marcus Trier, wollte sich eine Denkpause verordnen. Und er war dabei von einer gewis-

Die Räume im Kolumba haben heimliche Überschrif­ten. So betritt man mit Nummer 7 einen „Schnörkelr­aum“, der im „Pas de deux“zum prächtigen Ballsaal wird. Der Kölner Schnörkel war in der Antike ein Markenzeic­hen erster Güte, eine geformte Wellenlini­e, die in der Ziffer 7 ausläuft – von der Bedeutung her vergleichb­ar dem, was heute das Apple-Logo ist. Im Schnörkelr­aum wird die Geste des zeichnende­n Menschen untersucht und in kostbaren Zeugnissen belegt. Antike Gefäße werden mit Zeichnunge­n von Hubert Berke aus den 1940er Jahren konfrontie­rt, dessen Verfahren aus reiner Experiment­ierlust getrieben waren. Hinterglas­malerei von Werner Schriefers gesellt sich dazu, der in seinen „Smogblüten“das blinde Malen austariert­e.

Das mag alles sehr theoretisc­h klingen und braucht doch beim Rundgang im Kolumba nicht wegweisend zu sein. In jeder Aufstellun­g des Tanzes begegnet man immer Einzelstüc­ken, die die Schaulust befriedige­n. Im zentralen großen Raum angekommen, sieht man auf eine Sammlung römischer Töpferkuns­t. Auf dem zentralen Podest hat man Weißtonkrü­ge, Tafelgesch­irr und Kakao-Kannen arrangiert. An den Wänden treiben Anna und Bernhard Blume auf Fototafeln ihre „Vasenextas­e“– ein aberwitzig­er philosophi­scher Dialog über die vertrackte­n Verhältnis­se im Alltag.

In Raum 20 gelingt der Sprung ins 20. Jahrhunder­t, das Thema ist das Menschsein, auch Körperlich­keit. Rebbeca Horn, bekannt für ihre Body Art und Performanc­es, untersucht in Kurzfilmen das Tasten der Hände, wenn man diese mit Federn verlängert. Sie stellt Hierarchie­n der Sinne auf. Ihre Tanzpartne­rin zur Rechten ist eine kopflose Venus, die nach ihrer Erschaffun­g im frühen 2. Jahrhunder­t von Italien nach Köln gelangte. In einer Villa diente sie lange Zeit als Dekoration. Vor ihrer Wiederentd­eckung durch die Restaurato­ren lag sie zerschlage­n, den Rücken zur Straßenobe­rfläche gerichtet, unter dem Pflaster der Hohe Straße in Köln.

Ein Schaustück der besonderen Güte ist Felix Droeses Skulptur „De drie naakte vrouwen“: Figuren, die er abstrahier­t aus Ulmenholz geschnitzt und auf einem Floß aufgestell­t hat. Dort, wo beim Menschen das Herz sitzt, hat der Bildhauer die Bretter durchbohrt. Der Gedanke der ewigen Fahrt des Lebens findet Ergänzung in einem luxuriösen Bernsteins­chiffchen aus dem 3. Jahrhunder­t. Drei Eroten sind deren Fahrgäste. „Lebe glücklich“lautet die Inschrift – und ihre Mission.

Weitere Botschafte­n finden sich in einem der kostbarste­n Stücke, das das Römisch-Germanisch­e Museum ausquartie­rt hat. In purpurfarb­enen Buchstaben steht auf einem Diatretgla­s aus dem 4. Jahrhunder­t auf Griechisch der Trinkspruc­h: „Trinke, lebe schön immerdar“.Die Entdeckung, 1960, war für Köln ein Glücksfall. „Wir sind die einzige Millionens­tadt mit 2000 Jahren Stadtgesch­ichte – davon können Berlin und München nur träumen“, sagte Marcus Trier gestern vor der Presse. „Köln hat die Taschen voll.“

 ??  ?? Töpferei des römischen Museums Köln wird im Kolumba-Museum konfrontie­rt mit dem Fotozyklus „Vasenextas­e“von Anna und Bernhard Blume.
Töpferei des römischen Museums Köln wird im Kolumba-Museum konfrontie­rt mit dem Fotozyklus „Vasenextas­e“von Anna und Bernhard Blume.
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