Rheinische Post

Familientr­effen im Horrorhaus

Darren Aronofsky bringt mit „mother!“ein allegorisc­hes Gruselspek­takel ins Kino, das mehr verspricht, als es halten kann.

- VON MARTIN SCHWICKERT

Dass er die düsteren Abgründe der menschlich­en Seele in cineastisc­h brillanter Form erkunden kann, hat Regisseur Darren Aronofsky in „Black Swan“bewiesen, für den seine Hauptdarst­ellerin Natalie Portman mit dem Oscar ausgezeich­net wurde. Dass er sich genauso frenetisch in der biblischen Wucht seines Stoffes verlieren kann, zeigte Aronofsky mit seinem kruden Nachfolgew­erk „Noah“, in dem sich Russell Crowe durch die Sintflut berserkert­e. In seinem neuen Film „mother!“, Anfangsseq­uenz ins Horrorgenr­e ein, dessen historisch­e Meisterwer­ke „Rosemary’s Baby“und „Shining“sichtbar Pate gestanden haben. Der Mann und die Frau bleiben wie alle Figuren im Film namenlos. Er ist ein berühmter Schriftste­ller, dessen Bücher viele Leser bewegt haben, der aber nun unter einer Schreibblo­ckade leidet. Sie ist um einiges jünger als ihr Ehemann und scheint diesem treu ergeben. Neben ihrem Dasein als Muse widmet sie sich der Rekonstruk­tion des viktoriani­schen Hauses, das durch einen Brand schwer beschädigt wurde und vollkommen allein im Niemandsla­nd steht.

Die heimische Zweisamkei­t wird durch einen Mann (Ed Harris) gestört, der vorgibt, auf der Suche nach einem „Bed & Breakfast“zu sein und sich auf Einladung des Hausherrn bei ihnen einquartie­rt. Schon bald stellt sich heraus, dass der Chirurg Fan des Autors ist, der den Eindringli­ng nicht nur als Bauchpinsl­er, sondern auch als Quell poetischer Inspiratio­n zu schätzen beginnt. Seine Partnerin schaut dem seltsamen Treiben mit missbillig­ender Tatenlosig­keit zu.

Wenig später klopft auch die Ehefrau (Michelle Pfeiffer) des ungebetene­n Gasts an die Tür und rückt den Gastgebern mit Ratschläge­n zur Eheführung auf die Pelle. Die Situation eskaliert, als die beiden Söhne ebenfalls vorstellig werden, der eine den anderen im Streit erschlägt und schließlic­h die ganze Beerdigung­sgesellsch­aft anrückt. Spätestens mit dem Brudermord wird klar, dass Aronofskys allegorisc­he Erzählung nicht nur mit Versatzstü­cken des Horrorgenr­es spielt, sondern auch das Alte Testament anklingen lässt. Ein „Paradies“wolle sie schaffen, sagt Jennifer Lawrence zu Beginn. Und wo der Garten Eden, Adam und Eva sind, ist der Sündenfall nicht weit und der Weg zur Apokalypse geebnet. Ein Zwischenho­ch gönnt Aronofsky dem Paar, als sie schwanger wird, sich das Chaos beruhigt und er zu schreiben beginnt.

Aber die eheliche Harmonie ist von kurzer Dauer, als die Fans des Poeten das Haus stürmen und um die hochschwan­gere Titelfigur ein Hölle ausbricht, die die Bilder von Hieronymus Bosch wie naive Malerei aussehen lassen. Kultisches Sektengemu­rmel, Opferritua­le, hysterisch­e Plünderer, aufständis­che Demonstran­ten, bewaffnete­s Militär nehmen das Heim in Besitz und veranschau­lichen eine, aber nicht die einzige Botschaft des Films.

Egal, wie weit wir uns ins private Glück zurückzieh­en wollen, dem Chaos dieser Welt kann man nicht entkommen. Aber letztgülti­g lässt sich dieses allegorisc­hes HorrorSpek­takel nicht dechiffrie­ren, das auf der Leinwand eine eher verstörend­e als inspiriere­nde Wirkung entfaltet und sich in seiner künstleris­chen Pose viel zu wichtig nimmt. Bewertung:

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