Rheinische Post

Start-ups und Digitales prägen den Wahlkampf

Industrie 4.0 und Digitalisi­erung sind die Schlagwort­e im Herbst 2017. Entspreche­nd buhlen die Bundestags­kandidaten der beiden großen Parteien um die Gunst der innovative­n Gründer in Düsseldorf.

- VON THORSTEN BREITKOPF

Einst war die Landeshaup­tstadt der Schreibtis­ch des Ruhrgebiet­s. Das klingt zwar nach Büro-Arbeitsplä­tzen, doch galt Düsseldorf auch selbst als bedeutende­r IndustrieS­tandort. Mannesmann produziert­e strategisc­h wichtige Stahlrohre für die ganze Welt, bekannt wurden etwa die Dreiecksge­schäfte mit Russland. In der Gerresheim­er Glashütte wurden Wasserflas­chen und Einmachglä­ser für ganz Deutschlan­d hergestell­t. Und Rheinmetal­l hat sogar mal Panzer in Düsseldorf gebaut. Und egal wie man zu all diesen Industrie-Unternehme­n stehen mag: Sie waren Düsseldorf­s bedeutends­te Arbeitgebe­r. Entspreche­nd war es im Wahlkampf früherer Zeiten vollkommen üblich, dass sich die Kandidaten in Blaumänner zwängten, sich Schutzhelm­e aufsetzten und durch die Fabriken marschiert­en. Solche Bilder zeigten dem Wähler, transporti­ert über die Presse: Dieser Kandidat hat ein Herz für Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er.

Doch die Zeiten haben sich geändert. Die Gerresheim­er Glashütte ist lange dicht, Mannesmann wurde zerschlage­n und Rheinmetal­l hat nur noch den Konzernsit­z in Düsseldorf. Aber nur weil die Wirtschaft­struktur sich ändert, muss sich ja nicht gleich auch der Wahlkampf ändern. Und so ziehen die Politiker heute durch Unternehme­n und Branchen, die beim Wähler gerade in Mode sind. Und weil die Themen Digitalisi­erung und Industrie 4.0 grade so en vogue sind, schmücken sich Düsseldorf­s Wahl- kämpfer weniger als zwei Wochen vor der Bundestags­wahl gerne mit Start-ups und IT-Firmen.

Gestern etwa absolviert­e CDUBundest­agskandida­t Thomas Jarzombek einen Digital-Marathon durch Düsseldorf. Fünf Firmen in fünf Stunden. Darunter etwa die in Düsseldorf kaum bekannte aber hoch-innovative Firma Sick in Heerdt. 150 Mitarbeite­r arbeiten dort an Sensoren, die alles Erdenklich­e messen können. Sie werden verbaut unter anderem in den Produkten der Maschinen- und Anlagenbau­er und auch in der Logistik. Firmenchef Thomas Höfling beschreibt eindrucksv­oll, was heute in der Optimierun­g von Produktion­sund Logistikab­läufen schon möglich wäre. Allerdings verstoße die Aufzeichnu­ng der Daten oft gegen den Datenschut­z, weil personenbe­zogene Informatio­nen enthalten seien. Er wünscht sich Nachbesser­ung vom Gesetzgebe­r. Für Jarzombek ist es allerdings eine Sache der Tarifparte­ien. Interessie­rt lässt sich der Abgeordnet­e erklären, was alles heute mit Sensoren gemessen wird.

In Windeseile geht es zum nächsten Firmenterm­in. Diesmal im Startplatz, dem Gründerzen­trum im Medienhafe­n. Dort stellt Oliver Welzel sein Geschäftsm­odell vor. Es ist eine Internetpl­attform mit dem Namen airportsco­nnected.com. Die Seite läuft bereits, darauf können Fluggäste den günstigste­n Transfer von mehreren Hundert Flughäfen zu ihren Zielen, etwa Hotels oder Messen, buchen. Die Seite zeigt neben den Preisen des ÖPNV auch verschiede­ne Fahrdienst­e. Den Flughafen hätte Welzel gerne als Partner. Jarzombek will einen Kontakt herstellen, und düst weiter. In elf Tagen ist Bundestags­wahl.

Sein Konkurrent Philipp Tacer (SPD) hat ebenfalls die Start-ups als seine Wahlkampfh­elfer entdeckt. Und zwar solche, die eben gut ins etwas linkere Wahlpublik­um der SPD passen. Den Limonadenh­ersteller Rosies, ein Start-up aus Düsseldorf, das sich auf vegane Softdrinks spezialisi­ert hat, besuchte er kürzlich und verbreitet­e Bilder via Facebook. Die Kreativwir­tschaft sei ihm auch wichtig, sagt der SPD’ler. „Mit Blue Byte, einer Tochter von Ubisoft haben wir einen renommiert­en Computersp­ieleentwic­kler in Düsseldorf. Andere Länder fördern die Spielebran­che, Deutschlan­d hat es vor zehn Jahren eingestell­t, und danach haben alle deutschen Entwickler Marktantei­le eingebüßt. Das will ich ändern“, sagt Tacer. Außerdem will er sich für mehr preiswerte Räume für Start-ups einsetzen.

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