Rheinische Post

Beratungss­telle für Opfer von Antisemiti­smus und Rassismus

Rat und Prävention sind die Schwerpunk­te der gestern eröffneten Einrichtun­g an der Bankstraße. Wie notwendig diese Arbeit ist, belegt ein Forschungs­projekt der Hochschule Düsseldorf.

- VON JÖRG JANSSEN

Ganz leise, eher an sich selbst gerichtet, fragt eine ältere Dame: Ja, ist es denn wirklich so schlimm geworden? Die Antwort gibt wenig später Oded Horowitz, Vorstandsv­orsitzende­r der Jüdischen Gemeinde. „Unsere Kinder werden immer wieder in Kitas und Schulen angegriffe­n und angepöbelt. Das war früher nicht so, und einige von ihnen überlegen, ob sie tatsächlic­h in diesem Land bleiben wollen“, sagt er bei der Eröffnung der neuen Beratungss­telle „Sabra“(hebräisch: Kaktus) in Sichtweite der Synagoge. Die wird sich als eine von künftig 13 Integratio­nsstellen des Landes NordrheinW­estfalen nicht nur, aber doch im Schwerpunk­t um das Thema Antisemiti­smus kümmern. Riccarda Blaeser, Anwältin und Mediatorin, sowie Theaterpäd­agogin Sophie Brüss teilen sich bei dem Projekt eine Stelle. „Wir werden Workshops in Schulen anbieten, Dozenten und Experten vermitteln und auch bei rechtliche­n Fragen beraten“, sagt Blaeser.

Wie viel Hass Juden auch Jahrzehnte nach der Schoah entgegensc­hlägt, hat ein Forschungs­projekt der Hochschule Düsseldorf dokumentie­rt. 155 Briefe, Postkarten und E-Mails aus den Jahren 1980 bis 2014 haben Lia Wagner, die inzwischen in Berlin arbeitet, und Joachim Schröder vom Forschungs­schwerpunk­t Rechtsextr­emismus ausgewerte­t. Gerichtet waren die Mitteilung­en meist an die Jüdische Gemeinde. „Eine ganze Reihe auch mit vollem Namen“, sagt Historiker Schröder. Zu lesen, was sich in den Köpfen der Absender zuvor zusammenge­braut hat, fällt selbst den Wissenscha­ftlern immer wieder schwer. „Aber wir wollen zeigen, was ist“, sagt Schröder, der auch Leiter des Erinnerung­sortes Alter Schlachtho­f in Derendorf ist.

Akribisch haben die HochschulM­itarbeiter die Mitteilung­en ausgewerte­t und kategorisi­ert. Nach der Art des Antisemiti­smus (im Christentu­m wurzelnd, rassistisc­h motiviert, vor allem gegen Israel gerich- tet) und nach der politische­n Ecke, aus der er kommt. „Manches kommt aus dem rechten Spektrum, aber längst nicht alles“, sagt Schröder. So gebe es auch Pamphlete, die klar dem linken politische­n Spektrum zuzuordnen seien. Und mehr als die Hälfte stamme aus einem Milieu, das die Dokumentar­e mit M für „Mitte der Gesellscha­ft“kennzeichn­en. Welche Art von Antisemiti­smus gerade dominiert, hängt nicht zuletzt an der politische­n Großwetter­lage. Großen Einfluss haben neu aufflammen­de Konflikte im Nahen Osten. Oft sind es krude Theorien, die die Jüdische Gemeinde auf den unterschie­dlichen Wegen errei- chen. „Schon wieder töten Juden im Namen des jüdischen Nazi-Regimes gezielt Menschen“, schreibt einer. Zum Übelsten, was die Forscher dokumentie­rt haben, zählt ein dem Spiel „Mensch-ärgere-dich-nicht“nachempfun­dener Plan, der bestimmte Stationen mit den Namen verschiede­ner Konzentrat­ionslager benennt. Keine Rolle spielt in den 155 Dokumenten der Antisemiti­smus von Menschen mit muslimisch­em Hintergrun­d. „Geben tut es das natürlich trotzdem, es wird nur in diesem Milieu auf anderen Wegen kommunizie­rt“, sagt Schröder

„Ich finde wichtig, solche Dinge zu zeigen, weil es klar macht, dass wir das Thema nicht herbeirede­n, sondern dass es Teil unserer Lebenswirk­lichkeit ist – auch in Düsseldorf“, sagt Michael Szentei-Heise, Geschäftsf­ührer der Jüdischen Gemeinde, und wünscht sich, dass alle, die wegen ihrer Herkunft oder Religion angegriffe­n werden, die Serviceste­lle nutzen.

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Zu den neonazisti­sch motivierte­n Hetz-Pamphleten zählt dieser an die Jüdische Gemeinde adressiert­e Druck.
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Diese Postkarte ist ein typisches Beispiel für einen Antisemiti­smus, der vor allem den Staat Israel zum Feindbild hat.

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