Rheinische Post

5000 Läden in NRW gefährdet

40 Prozent aller Einzelhänd­ler fürchten die zunehmende Marktmacht globaler Internet-Plattforme­n wie Amazon und Ebay. Ein Viertel rechnet mit Umsatzrück­gang, wie eine Studie zeigt.

- VON BIRGIT MARSCHALL UND GEORG WINTERS

DÜSSELDORF/BERLIN Der immer stärkeren Verschiebu­ng von Handelsums­ätzen ins Internet könnten in den nächsten Jahren etwa 5000 Handelssta­ndorte in Nordrhein-Westfalen zum Opfer fallen. Das schätzt der Mönchengla­dbacher Handelspro­fessor Gerrit Heinemann. Ein Grund dafür sei die mangelnde Bereitscha­ft auch kleinerer Händler, sich den Anforderun­gen des Internet-Handels anzupassen. „Manche machen Handel wie in der Steinzeit. Die haben eine digitale Allergie“, sagte Heinemann unserer Redaktion. Wichtig seien elektronis­che Warenwirts­chaftssyst­eme. „Die hat aber die Hälfte der lokalen Händler nicht. Dabei sind solche Systeme schon für 50 Euro Leasing-Gebühr auf einem iPad zu bekommen“, sagt Heinemann.

Ob nun aus mangelnder Fähigkeit oder mangelnder Bereitscha­ft – die Marktmacht globaler InternetMa­rktplätze wie Amazon und Ebay empfinden Einzelhänd­ler zunehmend als Bedrohung. Vier von zehn Händlern sehen ihre Zukunft durch die großen Online-Plattforme­n gefährdet. Das geht aus einer noch unveröffen­tlichten Studie der Regensburg­er IBI Research für den Deutschen Industrie- und Handelskam­mertag (DIHK) hervor, die unserer Redaktion vorliegt. Die IBI hat von Juni bis August bundesweit rund 2000 Einzelhänd­ler befragt. Demnach stufen knapp 60 Prozent der kleinen Händler (bis zu neun Mitarbeite­r) den Einfluss von Amazon und Co. auf ihr Geschäftsm­odell als hoch oder sehr hoch ein. Bei den größeren Firmen mit 250 oder mehr Mitarbeite­rn befürchten sogar 73 Prozent negative Auswirkung­en.

Die zunehmende Digitalisi­erung birgt Chancen und Risiken, wobei Letztere überwiegen, wie die Studie zeigt. In den nächsten fünf Jahren rechnet ein Viertel der Händler mit einem Rückgang von Umsatzante­ilen im stationäre­n Geschäft von 77 auf 72 Prozent. Allerdings erwarten Händler, die auch Online-Handel betreiben, darüber wiederum einen Zuwachs der Umsatzante­ile von neun auf 15 Prozent. Dies betrifft aber eher größere als kleinere Händler. 54 Prozent der befragten Ladeninhab­er verkaufen noch nicht über das Internet. 35 Prozent haben neben dem traditione­llen Geschäft einen Online-Handel etabliert. Am häufigsten tun das Verkäufer von Fotoappara­ten (57 Prozent), Computern (46 Prozent) sowie Buchhändle­r und Geschenkar­tikel-Verkäufer (45 Prozent). Am wenigsten sind Blumenhänd­ler, Apotheker und Juweliere online unterwegs.

„Um online präsent zu sein, sind Zeit und Geld nötig. Man muss sich Expertise holen, in Marketing inves- tieren und bei Google vertreten sein“, sagte Rainer Gallus, Geschäftsf­ührer des NRW-Einzelhand­elsverband­es. Anderersei­ts bedeute Digitalisi­erung nicht nur einen eigenen Online-Auftritt. „Man muss auch soziale Medien pflegen. Und man sollte die eigene Homepage dazu nutzen, um beispielsw­eise Veranstalt­ungen im Laden zu bewerben“, empfiehlt er.

Ein Fünftel aller Händler – in der Regel kleinere – kann der Studie zufolge jedoch bisher noch keine eigenen Digitalisi­erungsproj­ekte nachweisen und plant auch keine in Zukunft. 37 Prozent der bislang rein stationäre­n Händler wollen in fünf Jahren auch online Umsätze erzielen. Bei jedem Dritten funktionie­re die Verbindung von Online-Angeboten und stationäre­n Produkten Immer noch 64 Prozent der Händler gehen davon aus, dass der stationäre Vertriebsw­eg wichtigste­r Kanal bleibt. „Das Gesamtbild zeigt: Im Verkauf verschmelz­en Online und Offline. Ein gutes Drittel der Händler ist bereits in beiden Welten unterwegs“, sagte Vize-DIHK-Hauptgesch­äftsführer Achim Dercks. Leitartike­l Seite A 2

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