Rheinische Post

Nach Merkel

- VON EVA QUADBECK

BERLIN Noch deutlicher konnte die Kanzlerin nicht werden. „Ja, als Bundeskanz­lerin und als Parteivors­itzende“, sagte Angela Merkel in der ZDFSendung „Klartext“auf die Frage, ob sie im Fall eines Wahlsiegs für vier weitere Jahre im Amt bleiben wolle.

Dass Merkel bei Wiederwahl auch weitere vier Jahre regieren möchte, hatte sie im Wahlkampf schon mehrfach betont. Dass sie dabei auch wieder bis zum Ende der Wahlperiod­e Parteichef­in bleiben will, ist neu. War doch schon in Berlin spekuliert worden, Merkel könne nach weiteren zwei oder drei Jahren den Parteivors­itz an eine mögliche Nachfolger­in oder einen Nachfolger abgeben und damit das Ende ihrer Amtszeit selbstbest­immt und geordnet einleiten. Während noch zu Beginn der Wahlperiod­e Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen als Kronprinze­ssin gehandelt wurde, gilt mittlerwei­le die Regierungs­chefin des kleinen Saarlands, Annegret Kramp-Karrenbaue­r, als aussichtsr­eiche Anwärterin.

Grundsätzl­ich ist es Merkels Wunsch, eines Tages aus eigenem Antrieb das politische Parkett zu verlassen. 1998 erklärte die damalige Umweltmini­sterin in einem Interview mit der Fotografin Herlinde Koelbl, sie wolle „kein halbtotes Wrack sein“, wenn sie aus der Politik aussteige. Das gelte im Prinzip immer noch, versichern ihre Vertrauten. Doch wie ein selbstbest­immter Ausstieg aus der Politik, bestenfall­s noch mit geordneter Nachfolge, gelingen soll, ist auch ihnen schleierha­ft. Zumal es vor vier Jahren schon ein- mal die gleiche Debatte gab. Auch damals existierte­n viele Szenarien, wie Merkel vielleicht kurz vor dem Ende der Wahlperiod­e den Parteivors­itz abgeben könne. Manch einer witzelt daher, vielleicht trete Merkel ja auch noch ein fünftes Mal an. Doch richtig glauben wollen sie das noch nicht einmal in der CDU.

Wer am Ende das Rennen um die Parteispit­ze und eine mögliche Kanzlersch­aft macht, hängt auch stark mit dem Zeitpunkt zusammen, zu dem Merkel ausscheide­t. Das Absägen von Parteichef­s gehört normalerwe­ise nicht ins Repertoire der Christdemo­kraten. Der letzte Versuch 1989, von Rita Süssmuth, Heiner Geißler und anderen gegen Dauer-Kanzler Helmut Kohl, scheiterte kläglich. Undenkbar aber ist eine Revolte gegen Merkel nicht. Präsidiums­mitglied Jens Spahn hat schon mehrfach gezeigt, dass er den Mut hat, gegen die Chefin aufzubegeh­ren. Zweimal schon war er damit erfolgreic­h – als er sich gegen ihren Willen einen Platz im CDU-Präsidium erkämpfte und als er beim jüngsten Parteitag einen Beschluss gegen die doppelte Staatsbürg­erschaft herbeiführ­te. Spahn benötigte für einen Sturz freilich mächtige Verbündete – zum Beispiel Wolfgang Schäuble (CDU) und mindestens ein oder zwei Ministerpr­äsidenten.

Bislang hat im Reigen der Landeschef­s, die sich selbst öffentlich für die Merkel-Nachfolge empfehlen, nur der unerfahren­e Daniel Günther den Kopf herausge

streckt. „Wir sehen, dass sich – historisch untypisch – während einer CDU-Kanzlersch­aft eine neue Riege von Ministerpr­äsidenten aufbaut, die zusammen mit weiteren jüngeren Leuten in Regierungs­verantwort­ung eine Fülle von Potenzial für eine Nach-Merkel-Ära garantiere­n“, sagte er im August im Interview mit unserer Redaktion.

NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet, der als Eroberer der sozialdemo­kratischen Herzkammer und als Anführer des größten CDULandesv­erbandes qua Amt zur Kanzlerres­erve gehört, geht geschickte­r vor. Beim Fest der NordrheinW­estfalen vergangene Woche in der Hauptstadt betonte er selbstbewu­sst, NRW wolle in Berlin wieder eine größere Rolle spielen. Wenn Laschet nun noch den Tanker NRW flott bekommt, hat der Vizechef der BundesCDU alle Möglichkei­ten, Primus in der Ministerpr­äsidenten-Riege seiner Partei zu werden. Er braucht auf jeden Fall noch Zeit und Regierungs­erfolge in NRW, falls er eines Tages Merkel beerben möchte.

Nie unterschät­zen sollte man Merkels Allzweckwa­ffe: Peter Altmaier. Der blitzgesch­eite Jurist aus dem Saarland hat das Kunststück vollbracht, trotz seines Hinter-den-Kulissen-Jobs als Kanzleramt­sminister seinen Bekannthei­tsgrad durch das Bespielen von TV-Talkshows zu steigern. In der Par

tei ist er beliebt, Kummerkast­en und Konflikten­tschärfer. Altmaier wäre ein Kandidat, der in einer krisenhaft­en Situation als schnelle Lösung verfügbar wäre.

Ein wenig abgeschlag­en steht aktuell CDU-Vizechefin Julia Klöckner da. Nach der verlorenen Landtagswa­hl ist die volksnahe Politikeri­n wohl erst einmal aus dem Rennen. Mit 44 Jahren kann sie aber auch noch eine weitere Runde drehen, zum Beispiel über das Bundeskabi­nett, und ihr Profil erweitern. Klöckner selbst vermeidet es, in die erste Reihe zu drängen.

Im Feminismus existiert die Theorie, dass einflussre­iche Männer bei der Suche nach Nachfolger­n und Verbündete­n stets nach einem ähnlichen Typus Ausschau halten, wie sie es selbst sind. Dies, so die Theorie, führt dazu, dass es für Frauen viel schwierige­r ist, sich in männlich geprägten Strukturen durchzuset­zen. Umgekehrt: Wenn Merkel nach diesem Prinzip bei ihrer Nachfolger­egelung verfährt, muss ihre Wahl auf Kramp-Karrenbaue­r fallen. Wie Merkel ist sie pragmatisc­h, bodenständ­ig, sachorient­iert und uneitel. Sie ist analytisch stark, machtpolit­isch gewieft, kann gut zuhören und durchschau­t ihr Gegenüber – alles Eigenschaf­ten, die man auch Merkel zuschreibt. KrampKarre­nbauers Manko: Abgesehen von ihren deutsch-französisc­hen Aktivitäte­n hat sie wenig Erfahrung auf internatio­nalem Parkett. Sie müsste also spätestens in der Mitte der Wahlperiod­e von Saarbrücke­n nach Berlin wechseln und ein wichtiges Ministeriu­m übernehmen. Zumal die bundesweit nicht bekannt genug ist, um als Merkel-Nachfolger­in akzeptiert

zu werden.

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Jens Spahn, Julia Klöckner, Armin Laschet, Annegret Kramp-Karrenbaue­r, Peter Altmaier, Daniel Günther und Ursula von der Leyen (v.l.).

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