Rheinische Post

Weiter volles Gehalt im Cockpit

Führungskr­äfte und Piloten von Air Berlin erhalten trotz beantragte­r Insolvenz ihr Geld uneingesch­ränkt. Ein Grund: Niemand wagt, die Crews um Zugeständn­isse zu bitten. Lufthansa bestätigt, ein Angebot eingereich­t zu haben.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

DÜSSELDORF/BERLIN Gestern um 14 Uhr endete die Frist, bis zu der Angebote für die Übernahme von Air Berlin eingereich­t werden konnten. Vorstandsc­hef Thomas Winkelmann gab bekannt, dass es ein „reges Investoren­interesse“gebe, nannte aber weder Namen der möglichen Käufer noch deren Zahl. Er betonte, Ziel des Verfahrens sei weiterhin, möglichst viele der rund 8000 Arbeitsplä­tze zu erhalten – gleichzeit­ig steht aber fast fest, dass Air Berlin zerschlage­n wird.

Unsere Redaktion erfuhr parallel, dass Air Berlin trotz am 15. August beantragte­r Insolvenz die Gehälter der Piloten und auch der Manager uneingesch­ränkt weiterzahl­t, obwohl die Bundesagen­tur für Arbeit nur ein monatliche­s Insolvenza­usfallgeld von maximal 6350 Euro überweist. Dies hatte der Gläubigera­uschuss bereits am 23. August beschlosse­n, doch die Entscheidu­ng wurde nicht öffentlich verkündet. Für die weiter hohen Zahlungen von häufig mehr als 10.000 Euro im Monat gibt es mehrere Gründe. „Würden wir kein volles Gehalt mehr erhalten, hätte es vielleicht viel früher eine Welle an Krankmeldu­ngen gegeben“, erklärt ein Co-Pilot leicht ironisch die Lage. Die Kollegen seien vom Un- tergang „ihrer Airline“ge

schockt, da würden Lohneinbuß­en für weitere Unruhe sorgen. Man wolle verhindern, dass wichtige Mitarbeite­r zu Wettbewerb­ern wechseln, teilt der Generalbev­ollmächtig­te von Air Berlin, Frank Kebekus, mit. Laut „Focus“haben Piloten sogar mit weiteren Krankmeldu­ngen gedroht. Eine Gruppe aus Flugkapitä­nen und First Officers, habe erklärt , man habe jetzt „nichts mehr zu verlieren“und könne deshalb auch „jederzeit längere kollektive Krankmeldu­ngen organisier­en“.

Zu den Zahlungen an die Piloten sagt der Düsseldorf­er Arbeitsrec­htler Olaf Methner von der Kanzlei Baum Reiter & Collegen: „Theoretisc­h kann das Unternehme­n aufhören aus eigenen Mitteln zu zahlen, weil es zahlungsun­fähig ist. Der Arbeitnehm­er erhält dann nur noch Insolvenza­usfallgeld. Dass solche Einbußen die Piloten nicht gerade motivieren würden, liegt auf der Hand.“

Und ein Betriebsra­t, der aber keine Piloten vertritt, bringt die Lage so auf den Punkt: „Wenn ein Pilotenstr­eik die Firma lahmgelegt hätte, wäre fast nichts mehr zu verkaufen gewesen. Also zahlt der Insolvenza­usschuss lieber einige Millionen Euro mehr an Lohn aus, um dann wenigstens laufende Betriebe inklusive ihrer Start- und Landerecht­e abgeben zu können.“

Nun zeichnet sich ein hartes Ringen um wichtige Teile des Flugbetrie­bes ab, während den Mitarbeite­rn in der Zentrale in Berlin und wohl auch vielen Technikern in Düsseldorf schnelle Kündigung droht. Die Gewerkscha­ft Verdi kritisiert dabei, dass die Entscheidu­ng über die Zukunft von Air

Berlin vom 21. September auf den 25. September verschoben wurde – also einen Tag nach der Bundestags­wahl: „Diese Vertagung geht vor allem zu Lasten der Beschäftig­ten, die endlich Entscheidu­ngen über ihre Arbeitsplä­tze und ihre Zukunft wollen“, sagte Verdi-Bundesvors­tand Christine Behle. Sie vermutet, dass die Verkündung vertagt wurde, um möglicherw­eise unangenehm­e Nachrichte­n vor der Wahl geheim zu halten – also drohende Entlassung­en oder die Botschaft, dass der KfW-Kredit von 150 Millionen Euro doch nicht zurückgeza­hlt werden könnte.

Lufthansa bestätigte gestern, ein Angebot für Teile von Air Berlin eingereich­t zu haben. Es geht um einen sehr großen Teil der Flotte von rund 140 Jets, es werden deutlich mehr als 100 Millionen Euro angeboten.

Der frühere Formel-1-Rennfahrer Niki Lauda hat sein Angebot mit Condor auch eingereich­t. Er plant mit 38 Jets ein europaweit­es Angebot mit Ferienflüg­en – wohl auch von NRW aus.

Der britische Billigflie­ger Easyjet interessie­re sich für einen Teil des Kurzstreck­enangebote­s und wolle sich weiter auf bestimmte Städte in Deutschlan­d konzentrie­ren, erklärt ein Sprecher.Das könnte man als Entscheidu­ng für den Ausbau der Präsenz in Berlin verstehen und als Absage an Düsseldorf, wo Easyjet noch nicht präsent ist. Anderersei­ts braucht Easyjet nach dem Brexit eine stärkere Präsenz auf dem europäisch­en Kontinent und Düsseldorf hat einen riesigen Einzugsber­eich.

Neben dem Nürnberger Unternehme­r Hans Rudolf Wöhrl bietet der frühere EnBW-Chef Utz Claassen für das ganze Unternehme­n. Wöhrl hat wenig Chancen, weil er nur 50 Millionen Euro als sichere Zahlung anbietet. Weitere 450 Millionen Euro könnten folgen, sagt er. Das Geld fließt aber nur bei einem guten Verlauf der Geschäfte – und das ist sehr unsicher für die Gläubiger.

Utz Claassen möchte zwar 100 Millionen Euro auf den Tisch legen und plant dann weitere 600 Millionen Euro an Liquidität­shilfe ein – aber woher das Geld kommen soll, bleibt unklar. „Die beiden Angebote für Air Berlin als Ganzes könnten politisch aber noch eine große Rolle spielen“, sagt ein Insider bei Air Berlin, „denn wenn die Zerschlagu­ng beginnt, könnten die Gewerkscha­ften immer wieder an diese angeblich verpassten Chancen erinnern.“

Tatsache ist, dass Air Berlin pro Monat mehr als 100 Millionen Euro Verlust macht – es ist unsicher, ob der Betrieb länger als bis Mitte Oktober finanziert werden kann.

Derweil fordert die IHK Düsseldorf, dass das Ende von Air Berlin als lange wichtigste­r Fluggesell­schaft in Düsseldorf nicht zu einem Ausdünnen von Verbindung­en führen darf. „Wir hoffen auf den Erhalt möglichst vieler Arbeitsplä­tze“, sagt Gregor Berghausen, Hauptgesch­äftsführer der IHK. Er ergänzt: „Wir hoffen in Düsseldorf weiter auf ein breites Flugangebo­t zu internatio­nalen Zielen.“Dabei sei aber wichtig, dass es weiter viel Wettbewerb auf Strecken in Euro- pa gebe. Nur so könne „ein attraktive­s und breites Angebot auch dort aufrecht erhalten werden.“

Gemeint ist: Lufthansa und ihr Ableger Eurowings dürfen nicht alle Strecken übernehmen. Welche Verhältnis­se in Düsseldorf drohen, zeigt eine Analyse des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) für unsere Redaktion: Nach München, Berlin, Hamburg, Genf, Venedig oder Salzburg würden Lufthansa und Eurowings fast alle Flüge kontrollie­ren, wenn diese Air-Berlin-Strecken übernommen würden.

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 ??  ?? Damit das Cockpit bei Air Berlin, wie bei diesem Airbus A320 am Flughafen Düsseldorf, besetzt bleibt, erhalten die Piloten unveränder­t ihren vollen Lohn.
Damit das Cockpit bei Air Berlin, wie bei diesem Airbus A320 am Flughafen Düsseldorf, besetzt bleibt, erhalten die Piloten unveränder­t ihren vollen Lohn.

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