Rheinische Post

Ein Leben zu viel

Der Schweizer „Tatort“vergibt die Chance, ein Drama zu erzählen. Einem Fahrer fällt eine Leiche vor den Bus.

- VON HENNING RASCHE

LUZERN Da ist sie wieder: die nächtliche Straße. Aber das hier ist nicht die Fortsetzun­g des Stuttgarte­r „Tatort“der Vorwoche, sondern frischer Stoff aus der Schweiz. Bloß, dass es zu Beginn eben, irgendwie jedenfalls, erneut um Verkehrsun­fälle geht. Ein Bus fährt also diese nächtliche Straße entlang, es ist still, sonst ist niemand unterwegs, und es müsste gar nicht dunkel sein, wie der Dramaturg meint, damit klar ist: hier passiert etwas. Ein Mann steht auf einer Brücke, klammert sich fest am Geländer, ein Sprung von seinem Ende entfernt. „Spring“, ruft jemand. Und schon liegt dem Fernbus-Fahrer Beni Gisler ein Menschenle­ben vor den Füßen.

Man muss das vielleicht gleich zu Beginn einmal feststelle­n: Das ist kein schlechter „Tatort“. Von den Luzerner Ermittlern Liz Ritschard (Delia Mayer) und Reto „Flücki“Flückiger (Stefan Gubser) ist der Zuschauer in der Vergangenh­eit nicht besonders verwöhnt worden. Und auch hier eine Klarstellu­ng: Es liegt nicht an den Kommissare­n, dass es ein bisschen besser wird. Die Idee des Films könnte man, etwas kühn vielleicht, als gut bezeichnen. Ein Mann, der seinen Tod im thailändis­chen Tsunami 2004 vorgetäusc­ht hat, landet 13 Jahre später, dann tatsächlic­h tot, vor einem Bus. Für den Busfahrer ist es der dritte tödliche Unfall seiner Karriere, und da kann es nicht verwundern, dass er durch- dreht und auch eine Psychologi­n ihm nicht zu helfen scheint.

Nicht nur, aber auch wegen Michael Neuenschwa­nder, der den Busfahrer ganz eindrückli­ch spielt, möchte man mehr erfahren von diesem Gisler. Was für ein Schicksal: drei Menschen sterben vor seinen Fahrzeugen, erst vor dem Zug, später vor dem Bus. Aber Felix Benesch und Mats Frey, die das Drehbuch geschriebe­n haben, teilen das Interesse an der interessan­testen Figur des Films nicht.

Das Drehbuch ist auch für die beiden hölzernen Kommissare bedauerlic­h. Die Autoren setzen auf die immer gleichen Dialoge. Beispiel: „Welche Priorität würden Sie der Suche nach dem Täter geben?“, fragt der Vorgesetzt­e. „Die oberste, Herr Regierungs­rat“, sagt Ritschard. Diesen Dialog darf der Zuschauer getrost als intellektu­elle Beleidigun­g auffassen. Es ist indes nicht das einzige öde Gespräch, das der Film nicht braucht.

Dazu gehört auch das Privatlebe­n der Kommissare. Beim Schweizer Fernsehen ist man auf die Idee ge- kommen, es sei klug, Kommissari­n Ritschard eine Liebschaft mit der Botin eines Asia-Imbisses anzudichte­n. Und man will eigentlich auch nicht mehr wissen, ob Reto Flückiger sich nun traut, bei seiner Freundin die Kinder ins Bett zu bringen, oder ob das dann doch zu viel Nähe für ihn ist.

Dass es in diesem „Tatort“wie nebenbei auch noch um Insolvenze­n von Baufirmen, eine Bekanntsch­aft zwischen Busfahrer und Kommissar aus Militärzei­ten und angeblich moderne Dinge wie „Crowdintel­ligence“geht, ist „Zwei Leben“ebenfalls nicht besonders zuträglich. Gänzlich verschmähe­n sollte man den Streifen dann aber doch nicht. Es gibt ein paar interessan­te Dinge über die Abgründe des Lebens zu lernen.

 ??  ?? Ein Mann springt von der Brücke und landet vor dem Bus von Beni Gisler (Michael Neuenschwa­nder). Der dreht durch und sucht Halt bei Psychologi­n Sonja Roth (Stephanie Japp).
Ein Mann springt von der Brücke und landet vor dem Bus von Beni Gisler (Michael Neuenschwa­nder). Der dreht durch und sucht Halt bei Psychologi­n Sonja Roth (Stephanie Japp).

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