Opfer der Axt-Attacke leiden noch lange unter den Folgen
Nur dem Zufall ist es zu verdanken, dass acht Menschen im März dieses Jahres ihre Verletzungen überlebten. Im Prozess äußerte sich der Angeklagte gestern nicht – aus gesundheitlichen Gründen.
Lebensgefährliche Kopfverletzungen, schwere psychische Folgen – im Prozess gegen Fatmir H., der im Düsseldorfer Hauptbahnhof mit einer Axt wahllos auf Menschen eingeschlagen haben soll, ging es am gestrigen Verhandlungstag um die Opfer. Nicht alle Zuschauer im Saal E122 des Landgerichts können hinsehen, als zwei Rechtsmediziner die Verletzungen der acht Menschen zeigen, die am 9. März bei dem Amoklauf verletzt worden sind. Auf der Anklagebank sitzt Fatmir H. Der 37 Jahre alte Kosovare wirkt an diesem zweiten Prozesstag teilnahmslos, manchmal kann er kaum die Augen aufhalten. Er steht unter dem Einfluss von Medikamenten, ist in psychiatrischer Behandlung. Mit ausdrucksloser Miene schaut er auf zur Leinwand, auf die die Fotos der Verletzungen projiziert werden – auch die von seinen eigenen. Er war nach der Tat von einer Eisenbahnbrücke gesprungen, hatte sich beide Füße gebrochen.
Es ist wohl nur dem Zufall zu verdanken, dass alle acht Opfer den Axt-Angriff an diesem Tag überlebt haben. Vier hatten schwerste, lebensbedrohliche Kopfverletzungen. Die Fotos zeigen bis zu 14 Zentimeter lange Wunden am Hinterkopf, ein Mann hatte ein offenes Schädelhirntrauma, eine Frau einen gebrochenen Schädel. Ein damals ebenfalls lebensgefährlich verletzter Mann ist inzwischen gestorben – man hat ihn Ende Juli tot in seiner Wohnung gefunden. Einen Zusammenhang zu der Tat im März scheint es jedoch nicht zu geben. Die Folgen des Amoklaufs für die Opfer wiegen schwer: Ein Mann hat seinen Job verloren, weil er noch in der Probezeit war, als er nach der Tat mehrere Wochen krank war. Ein zweiter hat ständig Kopfschmerzen, ist nervös, kann nicht arbeiten. Ein Anwalt, der drei der Opfer als Nebenkläger vertritt, sagt: „Wir erwarten nicht nur eine Entschuldigung, sondern auch eine ausführliche Erklärung, warum Fatmir H. das gemacht hat.“Doch der Vorsitzende Richter sagt: „Nach jetzigem Kenntnisstand haben wir es mit einem kranken Menschen zu tun.“Es bleibt offen, ob der Angeklagte im Prozess überhaupt etwas sagen wird. Sein Verteidiger sagt: „Er sieht sich aus gesundheitlichen Gründen heute nicht dazu in der Lage.“
Eigentlich sollten Fatmir H.s Bruder und seine Schwägerin im Prozess als Zeugen aussagen. Sie verweigern als Verwandte jedoch die Aussage, sind aber damit einverstanden, dass das, was sie der Polizei gesagt haben, ins Verfahren einfließen kann. Und so wird das Bild des Angeklagten ein wenig deutlicher an diesem Tag. Er soll während des Balkan-Kriegs „zu viele Tote gesehen haben“, wie sein Bruder sagt. Das habe ihn traumatisiert.
Etwa einen Monat vor der Tat habe sich Fatmir H., bei dem bereits im Kosovo eine Schizophrenie diagnostiziert worden war, eine Axt ge- kauft, die er immer hinter seiner Wohnungstür stehen hatte. „Er dachte, es kommen Leute, die ihn umbringen wollen“, meinen die Angehörigen. Zeugen beschreiben dramatische Szenen an Gleis 13 des Hauptbahnhofs. „Er hat wild auf Leute eingeschlagen“, sagt ein 36Jähriger, der alles aus einer Bahn heraus beobachtete. Der Fahrer schloss geistesgegenwärtig die Türen. Fatmir H. habe mit der Axt auf die Scheiben eingeschlagen. „Ich dachte nur: Wann kommt endlich jemand, der uns hilft“, sagt der Zeuge. – Der Prozess wird in der kommenden Woche fortgesetzt.