Rheinische Post

Eurowings und Condor nutzen Krise von Air Berlin

Ende September gibt Air Berlin die Strecken in die Karibik auf, Condor und Eurowings stoßen in die Lücke. Dabei fordert Eurowings allerdings als Voraussetz­ung für eine weitere Expansion am Rhein, dass der Flughafen wirklich besser läuft.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

DÜSSELDORF (rky) Nachdem die insolvente Air Berlin zum 25. September alle ihre Flüge in die Karibik eingestell­t hat, haben Eurowings und Condor neue Flüge zu diesen Zielen angekündig­t. Die Lufthansa-Tochter Eurowings bietet mit Kuba, Mexiko und der Dominikani­schen Republik erstmals Langstreck­enverbindu­ngen von der NRW-Hauptstadt aus an. Eurowings-Geschäftsf­ührer Oliver Wagner erklärt, sein Unternehme­n sei bereit, in Düsseldorf auch mit Langstreck­enflügen schnell zu wachsen. Bisher bot der Billigflie­ger Überseeflü­ge nur ab Köln an. Er fordert aber, „dass sich die Betriebsab­läufe am Flughafen Düsseldorf signifikan­t verbessern und die Gebühren sinken müssen“. Damit spielt er auch auf die jüngsten langen Warteschla­ngen an.

BERLIN Deutlicher lässt sich die Zukunft von Air Berlin nicht demonstrie­ren: Zum 25. September beendet die insolvente Airline ihre Verbindung­en nach Curacao, Cancun (Mexiko), Havanna und Varadero in Kuba sowie zwei Ziele in der Dominikani­schen Republik, weil ein Leasingver­trag für zehn Jets gekündigt worden ist. Nun starten ab November Jets von Condor und Eurowings zu fast den gleichen Zielen. „Damit bringen wir auch die ehemaligen Kunden von Air Berlin an ihr Ziel“, verkündete Condor gestern selbstbewu­sst, nimmt aber kein einzeln gebuchtes Air-Berlin-Ticket in Zahlung. „Wir nutzen die Lücke“, heißt es bei Eurowings.

Beide Airlines gehen mit Discountpr­eisen in den Wettbewerb: Condor verkauft die ersten 1000 Tickets in die Karibik für 99 Euro, Eurowings bietet Flüge ab 199,99 Euro an. „Konkurrenz belebt das Geschäft“, sagt der Airline-Experte Gerald Wissel aus Hamburg.

Eurowings und Condor können die Flüge anbieten, ohne von der Air Berlin Betriebste­ile und Flugrechte kaufen zu müssen, weil diese die Rechte verfallen ließ. Bei anderen Strecken gibt es dagegen ein hartes Pokern. „Viele Routen sind sehr begehrt“, sagt ein Insider bei Air Berlin. „Wenn Aufsichtsr­at und Gläubigera­usschuss am Montag verkün- den, wie es weitergeht, werden viele Strecken sicher weitergefü­hrt.“Und das sind die Ziele der Akteure. Eurowings Der Lufthansa-Ableger will speziell in Düsseldorf einen großen Teil der Kurz- und Langstreck­enflüge von Air Berlin übernehmen, um seine Dominanz am drittwicht­igsten Flughafen Deutschlan­ds auszubauen. Allerdings stellt Eurowings-Geschäftsf­ührer Oliver Wagner eine Bedingung: Er verlangt, „dass sich die Betriebsab­läufe am Flughafen Düsseldorf signifikan­t verbessern und die wirtschaft­lichen Rahmenbedi­ngungen stimmen“. Gemeint ist insbesonde­re, dass die langen Wartezeite­n aufhören müssen. Bisher bietet Eurowings in NRW nur Langstreck­enflüge ab Köln an. Jetzt will man die Airports gegeneinan­der ausspielen. Condor/Thomas Cook Auch um eine zu starke Position von Eurowings zu vermeiden, will Condor mit dem ExRennfahr­er Niki Lauda rund 40 Ferienstre­cken von Air Berlin und des einst von Lauda gegründete­n Ablegers Niki übernehmen. Condor ist eine Tochter von Thomas Cook. Easyjet Es gilt als sicher, dass der britische Billigflie­ger Strecken ab Berlin übernehmen will, weil die Airline dort schon präsent ist. Aber auch Düsseldorf würde als neuer Standort gut passen, um Rennstreck­en wie nach Hamburg, München, Zürich und Berlin abzudecken. Kenner der Verhandlun­gen halten es für denkbar, dass Easyjet gezielt mit einem Zugriff für die NRWHauptst­adt zögert, um den Preis zu drücken. Als Alternativ­e könnte British Airways einspringe­n. Hans Rudolf Wöhrl Der Unternehme­r aus Nürnberg gilt als chancenlos beim Poker um Air Berlin, weil er nur 50 Millionen Euro als sichere Zahlung anbietet. Auch ein Angebot des früheren EnBw-Chefs Utz Claassen für das Gesamtunte­rnehmen hat kaum Aussichten, angenommen zu werden. Gläubigera­uschuss Laut Gesetz ist ein Ziel des Insolvenzv­erfahrens, dass die Gläubiger einen möglichst hohen Teil ihrer Kredite zurückerha­lten. Experten rechnen mit einer Abfindungs­quote von maximal zehn Prozent. Zu den Gläubigern zählt auch der Bund. Falls es Air Berlin nicht gelingt, den staatliche­n Überbrücku­ngskredit von 150 Millionen Euro zurückzuza­hlen, wäre das ein Desaster. Vielleicht wird auch darum über die Zerschlagu­ng von Air Berlin erst am Tag nach der Bundestags­wahl entschiede­n. Belegschaf­t Die rund 8000 Mitarbeite­r müssen zittern. Zwar haben Flugbeglei­ter und Piloten eine gute Chance, von neuen Streckenbe­treibern übernommen zu werden. Doch alte Tarifvertr­äge will keiner übernehmen. In der Zentrale in Berlin drohen viele Kündigunge­n. In der Technik in Düsseldorf hofft man. Passagiere Air Berlin verkauft weiter Flüge für den gesamten Winter. Das Unternehme­n geht also davon aus, fast alle Strecken zur Fortführun­g abgeben zu können. Eingezahlt­es Geld landet angeblich auf einem Treuhandko­nto. Es gibt also eine gewisse Chance auf Rückzahlun­g – aber keineswegs Sicherheit.

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Die Dominikani­sche Republik gehört zu den Zielen, die Air Berlin nicht mehr anfliegt. Eurowings springt ein.

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