Rheinische Post

Macrons Sorge vor einer starken FDP

Eine Regierungs­beteiligun­g der Liberalen würde die EU-Pläne des französisc­hen Präsidente­n durchkreuz­en.

- VON CHRISTINE LONGIN

PARIS Offiziell steht bei Emmanuel Macron am Sonntagabe­nd nichts im Kalender. Doch der französisc­he Präsident wird um 18 Uhr sehr genau hinschauen, wenn die ersten Prognosen zur Bundestags­wahl kommen. Denn der Wahlausgan­g ist auch für den 39-Jährigen entscheide­nd. Dass seine Partnerin weiterhin Angela Merkel heißt, gilt in Frankreich als sicher. Doch mit wem wird sie regieren?

„Wenn sie sich mit den Liberalen verbündet, bin ich tot“, zitiert die Zeitung „Le Monde“den soziallibe­ralen Staatschef. Der will nur zwei Tage nach der Wahl seinen ZehnPunkte-Plan für Europa vorstellen. Für seine „Neugründun­g“kommt es darauf an, wer in Deutschlan­d künftig mitredet. Die Solidaritä­t in der EU, die Macron einfordert, ist nicht mit jedem Koalitions­partner zu machen.

FDP-Spitzenkan­didat Christian Lindner warnte bereits: „Ich befürchte, dass Kanzlerin Merkel und Frankreich­s Präsident Macron sich über neue Geldtöpfe in der Eurozone einig sind, um einen gigantisch­en Finanzausg­leich zu schaffen.“Mit anderen Worten: Eine Transferun­ion, bei der die reichen Staaten wie Deutschlan­d für die armen zahlen, ist mit der FDP nicht zu machen.

Explizit hat Macron die natürlich nicht gefordert. Er will die Eurozone reformiere­n und ihr ein eigenes Parlament, einen Finanzmini­ster und ein Budget geben, aus dem dann Investitio­nen und Hilfsprogr­amme kommen könnten. Der frühere Wirtschaft­sminister hatte seine Ideen bereits im Wahlkampf formuliert und dafür vor allem von der SPD Beifall bekommen. „Eine Fortsetzun­g der großen Koalition wäre bequem für Macron, da die SPD in seine Richtung mitziehen wird“, sagt der Leiter des Deutsch-Französisc­hen Instituts in Ludwigsbur­g, Frank Baasner. Die FDP wäre dagegen ein unbequemer Partner.

Dass der Präsident mit seiner europapoli­tischen Grundsatzr­ede nur zwei Tage nach der Bundestags­wahl die Regierungs­bildung beeinfluss­en kann, glaubt der Experte nicht. „Die deutschen Parteien werden sich nicht vorschreib­en lassen, mit wem sie koalieren. Aber Macron will Pflöcke einschlage­n.“In welche Richtung es gehen soll, hatte er schon in Athen angedeutet. Schluss machen will er mit den „Bürgerkrie­gen“im Innern Europas zwischen Ländern, die sich nicht mehr vertrauen. Länderüber­greifende Listen bei der Europawahl sollen zeigen, dass die EU mehr ist die Summe nationaler Interessen. Auch die in Brüsseler Hinterzimm­ern ausgehande­lte Verträge sollen nach Macrons Vorstellun­gen der Vergangenh­eit angehören. „Überall in unseren Ländern werden die Völker da, wo sie wollen, über Europa diskutiere­n“, skizzierte er in Athen sein Projekt. Demokratis­che Versammlun­gen sollen die Zukunft mitgestalt­en.

In Frankreich hatte eine solche Bewegung schon einmal Erfolg: En Marche! hieß sie und stammte von Macron selbst. Wochenlang zogen seine Anhänger von Haustür zu Haustür, um ein Bild Frankreich­s zu zeichnen und die besten Ideen für die Zukunft des Landes einzusamme­ln. „Er hat in Frankreich alles aufgemisch­t, doch Europa aufzumisch­en ist ungleich schwierige­r“, warnt Frankreich-Kenner Baasner.

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