Rheinische Post

16 Jahre Merkel?

Trotz herber Verluste feiert die Bundeskanz­lerin einen historisch­en Sieg. Nun will sie die Wähler der AfD zurückgewi­nnen.

- VON EVA QUADBECK

BERLIN Es ist gerade 17 Uhr, als ein Mercedes mit Kieler Kennzeiche­n vor der CDU-Parteizent­rale vorfährt. Darin sitzt der Ministerpr­äsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther. Er führt im hohen Norden ein Jamaika-Bündnis an. Er wird wohl schon ahnen, dass er an diesem Abend ein gefragter Gesprächsp­artner für die Kanzlerin und den Rest der Parteiführ­ung sein wird. Schwarz-Gelb-Grün - wie geht das?

Wenn Angela Merkel im Kanzleramt bleiben will, wird sie die so unterschie­dlichen Kulturen von CDU/ CSU, Liberalen und Grünen zusammenfü­hren müssen. Trotz der herben Verluste feiert sie an diesem Sonntagabe­nd einen historisch­en te die CDU die Positionen der Grünen integriere­n, die in der Flüchtling­spolitik der CSU diametral gegenübers­tehen. So schaut man an diesem Abend von der CDU-Zentrale bang nach München. Die CSU hat dort ihr zweitschle­chtestes Wahlergebn­is der Nachkriegs­geschichte eingefahre­n. Auch sie konnte das Vermächtni­s von Franz Josef Strauß nicht erfüllen und es nicht verhindern, dass rechts der Union eine demokratis­ch legitimier­te Kraft nun kel-sind-genug-Stimmung, die sich bei den AfD-Anhängern in einem „Merkel muss weg“äußerte, diese Wahl gewonnen.

Während sich das geladene Parteivolk im Atrium des Adenauerha­uses tummelt, sitzt die Kanzlerin mit ihren Vertrauten in der sechsten Etage zur Krisensitz­ung zusammen. Etwa eine Viertelstu­nde bevor die erste Prognose über die große Leinwand vor den Aufzügen im Adenauerha­us flackert, positionie- ren sich die Männer und Frauen der Jungen Union mit ihren weißen Wahlkampfs­hirts vor den Kameras. „Voll muttiviert“steht immer noch auf ihren Shirts. Sie sind es auch noch. Die Partei-Regie lässt die Wahlplakat­e einsammeln. Das hält die aufgekratz­ten Wahlkämpfe­r aber nicht davon ab, auch bei gut 32 Prozent der ersten Prognose laut zu jubeln. Dabei ist das Ergebnis ein Desaster. Einige Parteimitg­lieder haben Tränen in den Augen. Als nur wenige Minuten nach 18 Uhr die TV-Bilder mit Gauland ins Adenauerha­us übertragen werden, stöhnt der Saal auf. „Zum Kotzen“, sagt einer.

Als erste findet die als mögliche Merkel-Nachfolger­in gehandelte saarländis­che Ministerpr­äsidentin Annegret Kramp-Karrenbaue­r die Sprache wieder, die sich ein Jamaika-Bündnis gut vorstellen kann. Auch der frühere Hamburger Bürgermeis­ter Ole von Beust ist zuversicht­lich, was die neue Koalitions­option angeht. „Die SPD meint das ernst, dass sie in die Opposition will. Angesichts des Ergebnisse­s ist das auch nachzuvoll­ziehen, respektabe­l“, sagt er unserer Redaktion. Von Beust, der in seiner aktiven Zeit sowohl mit den Rechtspopu­listen der Schill-Partei wie auch mit den Grünen koalierte, zeigt sich zuversicht­lich, dass sich auf Bundeseben­e eine Jamaika-Koalition schmieden lässt.

Das Adenauerha­us ist seit Tagen im Ausnahmezu­stand. TV-Teams aus aller Welt bauten ihre Technik auf. Das Interesse an der deutschen Wahl ist auch wegen des Einzug der der AfD groß. „Rechtspopu­listen sind in vielen Ländern in Europa stark. Wegen der deutschen Geschichte sind wir aber besonders besorgt“, sagt ein französisc­her Kollege. Derweil macht man sich im Adenauerha­us bei ein paar Gläsern Sekt die Hoffnung, dass die AfD an sich selbst scheitern wird.

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Bundeskanz­lerin Angela Merkel und ihr SPD-Herausford­erer gestern bei der Berliner Runde. Rechts Grünen-Spitzenkan­didatin Kathrin Göring-Eckhardt.

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