Rembrandt und die Geburt des Kunstmarktes
Malerei aus dem Goldenen Zeitalter erinnert in Hamburg an die Entstehung des Kunsthandels. Und wirft die Frage an die Gegenwart auf.
HAMBURG Zu den beliebtesten Vorurteilen gegenüber Künstlern zählt, dass es ihnen nur ums Geld gehe. Auf manche mag das zutreffen. Doch wer einen Streifzug durch die junge Kunst von heute unternimmt, wird feststellen, dass ausgerechnet Schwerverkäufliches vorherrscht: Installationskunst, Performance und Kunst, die an einen bestimmten Ort gebunden ist. Mehr denn je pochen Künstler auf die Eigengesetzlichkeit ihres Berufs, auf die Freiheit, Dinge zu machen, deren Bedeutung die Gesellschaft noch nicht erkennt.
Als sich im 17. Jahrhundert – im Goldenen Zeitalter der Niederlande – der Kunsthandel herausbildete, war eine solche Haltung die Ausnahme. In der Ausstellung „Die Geburt des Kunstmarktes“im Hamburger Bucerius Kunst Forum kann man sich davon überzeugen, dass die Herstellung von Kunst vor allem ein Handwerk war, oft nur ein Nebenerwerb und stets auf Profit ausgerichtet. Allein Rembrandt leistete es sich, auf dem Höhepunkt seines Ruhms dem Markt die kalte Schulter zu zeigen. Während sich die Nachfrage des wohlhabenden Bürgertums von den Spezialitäten des Goldenen Zeitalters ab- und einer repräsentativen Kunst zuwandte, die dem internationalen Barock verwandt war, blieb Rembrandt sich treu. Finanziell war das unklug.
Die auf zwei Etagen verteilte Hamburger Schau beginnt unten mit jenen Spezialitäten und dem Prinzip, das dahinterstand: dem rationellen Arbeiten. Um eine möglichst große Anzahl von Bildern pro Monat zu erschaffen, musste ein Maler sich wirtschaftlich verhalten: ein und dasselbe Motiv mit Abwandlung in mehreren Kompositionen verwenden, sich auf eine Technik beschränken, auf ein Milieu, auf eine Art von Landschaft.
Und da zeigen sie nun im Museum ihr serielles Können. Adriaen van Ostade ist der Mann fürs Bäuerliche, auch für rüpelhafte Interieurund Dorfstraßenszenen. Seine Menschen sind in düsteren Wohnstuben zu Hause, hocken oft auf dem Boden. Jan van Goyen gilt als Meister der Ton-in-Ton-Malerei. Die ersparte ihm die zeitaufwendige Setzung farblicher Kontraste und verhalf ihm zugleich zu einem Markenzeichen. Sein „Blick über den Rhein bei Arnheim“schöpft Wolken, Stadt und Segelboote vollstän- dig aus einer Palette zwischen WeißGrau, Blau-Grau und Ocker. Jacob Isaacksz van Ruisdael war dagegen der Maler von vielen Wasserfällen und -mühlen. Weil es Wasserfälle in den Niederlanden schon damals nicht gab, erzielte er damit eine gewisse Exotik – und hohe Preise.
Philips Wouwermann ist Spezialist für Reiterszenen, Paulus Potter begnadeter Kuh-und Stier-Maler, Jan Porcellis der Meister des Seestücks, Willem Kalf der Kompositeur des Prunkstilllebens. Pieter Jansz. Saenredam ist in der Ausstellung durch eines seiner großartigen Kircheninterieurs vertreten: „Inneres von St. Bavo (Grote Kerk) in Haarlem“, eine hochstrebende Architektur mit ein paar Menschlein, die sich darin verlieren, das Ganze spürbar im Geiste des Calvinismus.
Dieses Bild weist in seinem Rang voraus auf die zweite Etage. Sie bildet die „Spitze des Marktes“ab. Prüfstein war Rembrandt. Der Genremalerei aus der unteren Etage folgen nun vorzugsweise Historienbilder mit Motiven aus Mythologie, Bibel und Geschichte. Sie galten damals als Königsdisziplin der Malerei. Man erfährt auf dieser Etage auch, dass der Ausstellungstitel „Die Geburt des Kunstmarktes“ein Fragezeichen verdient hätte, denn bereits im 16. Jahrhundert war mit Kunst gehandelt worden – mit Luxusgütern wie Gobelins, mit Drucken und preiswerten Kopien.
Arbeiten auf Papier bildeten auch im 17. Jahrhundert noch einen wesentlichen Bestandteil des Marktes. Davon zeugen in der Schau Radierungen von Rembrandt aus der Zeit, als er die Leitung von Hendrick Uylenburghs Werkstatt übernommen hatte – Uylenburgh, der Künstler, der sich vor allem als Kunsthändler einen Namen machte und dem Rembrandt als Maler von Porträts zupasskam. Schade, dass die Schau kein einziges Gemälde von Rembrandt umfasst, nur ein Porträt eines Willem Burchgraeff, das neuerdings nur mehr Rembrandts Werkstatt zugeschrieben wird. Immerhin aber ist Rembrandts Lehrer Pieter Lastman mit einem plastischen Bildnis des guten Samariters präsent, ebenso Rembrandts Jugendfreund und Konkurrent Jan Lievens.
Entstanden war der Kunstmarkt durch eine 100 Jahre andauernde wirtschaftliche und kulturelle Blütezeit in den Niederlanden. Um 1650 arbeiteten dort etwa 700 Maler, die jährlich 70.000 Gemälde vollendeten. So etwas gab es weder in der italienischen Renaissance noch im französischen Impressionismus. In Deutschland soll es heute 10.000 bildende Künstler geben. Nicht viele können von ihrer Kunst leben. Vielen geht es kaum besser als Meindert Hobbema im Goldenen Zeitalter. Er reduzierte eines Tages seine Malerei armseliger Hütten, um als Amsterdamer Eichmeister für Weine ein Auskommen zu finden.