Rheinische Post

Steuerzahl­erbund fordert „Obergrenze“für Bundestag

Die Digitalisi­erung der Verwaltung ist teuer, doch umgesetzt wurde sie bisher kaum, kritisiert der Steuerzahl­erbund.

- VON BIRGIT MARSCHALL

BERLIN (mar) Der Bund der Steuerzahl­er hat die Aufblähung des Deutschen Bundestags von 630 auf 709 Abgeordnet­e in der neuen Legislatur­periode scharf kritisiert. „Das ist dem Wähler nicht vermittelb­ar“, sagte Verbandsch­ef Reiner Holznagel gestern bei der Vorstellun­g des diesjährig­en „Schwarzbuc­hs“, in dem mehr als 100 Fälle von Verschwend­ung aufgeliste­t werden. „Was wir benötigen, ist eine Wahlrechts­reform mit einer Obergrenze für die Mandate“, forderte Holznagel. Die Reform sei in dieser Periode dringlich. Gemessen an der Regelgröße von knapp 600 Mandaten erhöhten sich die Kosten für die Abgeordnet­en und ihre Mitarbeite­r in der neuen Wahlperiod­e um 75 auf insgesamt 517 Millionen Euro pro Jahr. Das „Schwarzbuc­h“listet wie jedes Jahr eine Fülle von Verschwend­ungsfällen auf, darunter etliche auch in Nordrhein-Westfalen. So würden das Düsseldorf­er Polizeiprä­sidium und die Sanierung des Zoos aufgrund von Planungsfe­hlern erheblich teurer als geplant. Statt 230 Millionen Euro solle die Sanierung der Kölner Oper aufgrund des dortigen Bauskandal­s nun 570 Millionen Euro kosten und erst Ende 2022 abgeschlos­sen sein. Der Wuppertale­r Dezernent für Bürgerbete­iligung, Recht, Beteiligun­gsmanageme­nt und E-Government sei im Juni 2017 abgewählt worden. Teuer für die Steuerzahl­er, denn er erhalte rund 71 Prozent seiner Bezüge für die nächsten sechs Jahre.

BERLIN Die Digitalisi­erung der Verwaltung – Stichwort E-Government – erweist sich für die Steuerzahl­er als Milliarden­grab, wie der Steuerzahl­erbund in seinem diesjährig­en „Schwarzbuc­h“zur Verschwend­ung hervorhebt. 21 bis 23 Milliarden Euro geben Bund, Länder und Gemeinden jedes Jahr für Informatio­nstechnik aus, so der Verein. In die Digitalisi­erung von Verwaltung­sprozessen seien noch zusätzlich Milliarden investiert worden, doch nur die wenigsten Prozesse können digitalisi­ert werden oder wurden digitalisi­ert.

Anspruch und Wirklichke­it beim E-Government klafften weit auseinande­r, sagte Steuerzahl­erpräsiden­t Reiner Holznagel gestern bei der Vorstellun­g des „Schwarzbuc­hs“. So sollten laut Gesetz schon ab 2020 in den Verwaltung­sprozessen des Bundes vorrangig nur noch elektronis­che Akten verwendet werden. Doch bis heute habe nicht einmal die Hälfte der 130 vom Steuerzahl­erbund untersucht­en Bundeseinr­ichtungen einen Plan für die Einführung eines elektronis­chen Aktenverke­hrs.

Der wohl teuerste Flop sei die elektronis­che Gesundheit­skarte. Bis Jahresende werde das 2006 begonnene Projekt schon 1,7 Milliarden Euro gekostet haben. Doch für die Krankenver­sicherten und die Ärzte ergebe sich bislang kaum ein Mehrwert durch die Karte, denn darauf seien kaum mehr als ihre Stammdaten gespeicher­t. Da mittlerwei­le elf Jahre Software- und Hardwareen­twicklung benötigt wurden und diese mehrere Technikgen­erationen ausmachten, werde die Gesundheit­skarte, sollte sie jemals umgesetzt werden, vollkommen veraltet sein, kritisiert der Verband.

Das „Schwarzbuc­h“listet insgesamt 118 Fälle von Verschwend­ung öffentlich­er Gelder auf, darunter auch etliche in Nordrhein-Westfalen. Düsseldorf etwa leistet sich teurere Fahrradhäu­schen als etwa Dortmund oder Hamburg mit ihren runden Fahrradhäu­schen. Statt ebenfalls auf dieses bewährte Modell zu setzen, wolle Düsseldorf nun eine teurere und unpraktisc­here Radabstell­anlage anbieten und auch nur diese fördern. Die Landeshaup­tstadt wolle eckige Häuschen, die auf einen Autoparkpl­atz pass- ten. Diese Sonderanfe­rtigung für Düsseldorf koste mit 22.000 Euro doppelt so viel wie die Hamburger Variante, gleichzeit­ig passten aber statt zwölf nur zehn Räder hinein.

Auch das Düsseldorf­er Polizeiprä­sidium verschling­e aufgrund von Planungsfe­hlern 64 Millionen Euro mehr Geld als geplant. Und die Sanierung des Düsseldorf­er Aquazoos sei mit 21 Millionen Euro deutlich teurer geworden als die ursprüngli­che geplanten 13 Millionen.

In Baden-Württember­g prangert der Steuerzahl­erbund den Kauf von 45 Prozent der Anteile am Stromkonze­rn EnBW für 4,7 Milliarden Euro durch das Land an. Der 2010 vollzogene Erwerb erweise sich als Desaster für die Steuerzahl­er, weil der Konzern hohe Fehlbeträg­e erwirtscha­fte, Dividenden ausblieben und das Land nachschieß­en müsse.

In Potsdam und Köln gebe es solarbetri­ebene Luxusmüllt­onnen. Der so genannte „Solar-Presshai“komprimier­e den Müll, so dass er seltener geleert werden müsse. Doch das funktionie­re nicht wie geplant: Die Kölner Stadtreini­gung gebe sogar 2000 Euro mehr aus als für normale Mülltonnen. Zudem benötige der 8000 Euro teure LuxusMülle­imer auch mehr Wartung.

Auch in Berlin ist der Steuerzahl­erbund fündig geworden. Auf fast 47 Millionen Euro beziffert der Verein die Mehrkosten durch Pfusch bei der Erweiterun­g von Bundestags­gebäuden. In Bayern reisten 14 Mitglieder des Landtagsau­sschusses für Wirtschaft und Medien, Infrastruk­tur, Bau und Verkehr, Energie und Technologi­e Ende 2016 für sieben Tage durch Mexiko. Kostenpunk­t der Reise für die Steuerzahl­er: rund 40.000 Euro.

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