Rheinische Post

CDU und CSU haben sich verhakt

Vor dem Treffen der Unionsspit­zen am Sonntag im Kanzleramt ist eine Einigung über die Obergrenze immer noch in weiter Ferne.

- VON KRISTINA DUNZ UND EVA QUADBECK

BERLIN Wer hätte das gedacht. Ausgerechn­et der Wirtschaft­srat der CDU malt ein schönes Bild von einer kunterbunt­en Jamaika-Koalition und spricht den völlig verschiede­nen Unterhändl­ern Mut für die Verhandlun­gen zu. „Auch beim Thema qualifizie­rter Fachkräfte­zuwanderun­g gibt es mehr Einendes als Trennendes zwischen Union, FDP und Grünen“, sagt der Generalsek­retär des CDU-Wirtschaft­srats, Wolfgang Steiger, unserer Redaktion. Und damit es vor allem die eigenen Leute verstehen: „Gerade in den Unternehme­n gibt es die große Hoffnung, dass eine Jamaika-Koalition die Kraft hat, den Wirtschaft­sstandort Deutschlan­d fit für die Zukunft zu machen.“Die Angst vor Neuwahlen in der Union ist groß.

Doch noch geht es überhaupt nicht um Schwarz-Gelb-Grün, sondern zuallerers­t um SchwarzSch­warz. Denn bevor es zu Sondierung­sgespräche­n mit FDP und Grünen kommt, sondieren an diesem Sonntag CDU und CSU. Dass sie das nötig haben, spricht für ihre brenzlige Lage. Denn Sondierung­sgespräche werden eigentlich nur mit dem politische­n Gegner geführt. Aber die vom CSU-Vorsitzend­en und bayerische­n Ministerpr­äsidenten Horst Seehofer versproche­ne Obergrenze für Flüchtling­e und das von Bundeskanz­lerin Angela Merkel garantiert­e Nein zeugen genau davon: politische­r Feind- schaft. Zwei Jahre haben die beiden Parteivors­itzenden auf ihren Positionen beharrt. Jetzt kommt es zum Schwur.

Die Protagonis­ten von CDU und CSU zerbrechen sich seit Tagen den Kopf, wie sie eine Lösung hinbekomme­n. Erfolgreic­he Ideen gelten als preisverdä­chtig. Denn der Obergrenze­n-Streit geht wie ein Riss durch die Union – zwischen CDU und CSU sowie jeweils durch die beiden Parteien.

Bayerische Obergrenze­n-Verfechter wollen die CDU nun auf das Bundesvert­riebenenge­setz hinweisen und damit einen Beleg liefern, dass es schon ein Vorbild für die Obergrenze gebe. Mit dem Gesetz wurde geregelt, dass für jedes Kalenderja­hr nur so viele Aufnahmebe­scheide erteilt werden dürfen, „dass die Zahl der aufzunehme­nden Spätaussie­dler, Ehegatten und Ab- kömmlinge die Zahl der vom Bundesverw­altungsamt im Jahr 1998 verteilten Personen nicht überschrei­tet“. Nach Einschätzu­ng von Juristen hinkt dieser Vergleich. Denn bei Spätaussie­dlern mit ihrem Bezug zu Deutschlan­d handle es sich um eine privilegie­rte Gruppe, die keine politische Verfolgung nachweisen muss, heißt es in Regierungs­kreisen.

Weder Merkel noch Seehofer können ohne Gesichtsve­rlust ihre Positionen aufgeben. Die rechtspopu­listische Alternativ­e für Deutschlan­d kann sich schon die Hände reiben. Entweder wird sie Merkel oder Seehofer der Lüge bezichtige­n. Oder Handlungsu­nfähigkeit beklagen, wenn die Union nicht bald die Gespräche mit den beiden Kleinen aufnimmt.

Es gibt viele drängende Probleme: Rente, Pflege, Mieten, Europa. Alles Themen, die CDU und CSU auch besprechen wollen. Merkel will aber sowieso erst nach der Landtagswa­hl in Niedersach­sen am 15. Oktober Gespräche mit Liberalen und Grünen führen. Viele verstehen aber nicht, was eine Landtagswa­hl mit Koalitions­verhandlun­gen im Bund zu tun hat. Aber noch eine andere Landtagswa­hl ist entscheide­nd: die in Bayern. Die ist zwar erst in einem Jahr. Aber Seehofer fürchtet jetzt schon um die absolute Mehrheit der CSU. Deswegen ist offen, ob es am Sonntag zu einer Einigung der Unionsspit­zen kommt.

Wirtschaft­spolitiker Steiger beschwört: „Wir appelliere­n an die Spitzen von CDU und CSU, sich bei den strittigen Fragen zu einigen und mit einer gemeinsame­n Linie in die Sondierung­sgespräche für eine Jamaika-Koalition zu treten.“Für die Unternehme­n seien stabile politische Verhältnis­se wichtig. Und schon bittend: „Bei all den unterschie­dlichen Positionen von Union, FDP und Grünen etwa in Energiefra­gen und beim Klimaschut­z gibt es doch einige gemeinsame Ideen, auf die sich eine Jamaika-Koalition einigen können sollte.“Seehofer sagt, er fahre mit Zuversicht nach Berlin, wenngleich die Gespräche schwierig würden. Aber wenn man gut vorankomme, „werden wir ganz vernünftig­e Gespräche zunächst mit der FDP und dann mit den Grünen führen“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Begleitet wird Seehofer freilich von dem deutlichen Zuruf des CSU-Granden Peter Gauweiler in der „Süddeutsch­en Zeitung“: „Horst, es ist Zeit“– gemeint ist: für einen Rücktritt vom Parteivors­itz. „Vom Papier passen CSU und Grüne sowieso nicht zusammen“, sagt ein Schwarzer. Es klingt ein Hoffen durch, dass die Grünen die Gespräche platzen ließen – so wie es angeblich Grünen-Politiker Jürgen Trittin 2013 getan hat. Eine Minderheit­sregierung will aber niemand in der Union, auch keine Neuwahl. In der CSU setzen manche noch auf eine große Koalition. Hier sei das letzte Wort noch nicht gesprochen. Die SPD und weite Teile der CDU sehen das anders.

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