Rheinische Post

Schulabgän­ger haben heute geringere Mathe-Kenntnisse

Eine Hochschulp­rofessorin und ein Handwerksm­eister sprechen über die Absolvente­n der heutigen Zeit, die Bedeutung praktische­r Erfahrunge­n und eine mögliche Zusammenar­beit.

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dem Bachelor-Studium die guten Lehrlinge weg? FELICITAS ALBERS Das sehe ich keinesfall­s so. Allerdings ist nicht zu verkennen, dass die Zahl der studienber­echtigten Schulabgän­ger deutlich gestiegen ist. Es besteht aber kein Zweifel, dass unsere Gesellscha­ft nicht nur Akademiker braucht, sondern in großer Zahl außerhalb des Wissenscha­ftsbetrieb­s berufsprak­tisch gut ausgebilde­te Fachleute, besonders im Handwerk. Für einen Teil der Studienint­eressierte­n bieten wir attraktive Kombi-Angebote aus berufliche­r Ausbildung und Studium. So gibt es etwa den ausbildung­sdualen Bachelor-Studiengan­g Taxation in Kooperatio­n mit dem Steuerbera­terverband in Düsseldorf und dem MaxWeber-Berufskoll­eg. Die Absolvente­n verfügen über zwei Abschlüsse: den des Steuerfach­angestellt­en und den des Bachelor of Arts. EICKHOLT Solche Angebote sind genau das, was der Mittelstan­d braucht. Auch in unserem Sektor gibt es inzwischen mit dem trialen Studium eine Kombinatio­n aus Lehre und akademisch­em Betrieb. Nach viereinhal­b Jahren ist der Absolvent dann nicht nur Geselle, sondern auch Bachelor und Inhaber eines Meisterbri­efs. Sicherlich ist so ein Höllenritt aber nicht die Lösung für jeden Kandidaten. Attraktiv ist das besonders für jene, die einen elterliche­n Betrieb übernehmen werden. Stellen Sie fest, dass Ihre Studenten Auszubilde­nden unterlegen sind, die sich ja zumindest einmal in ihrem Berufslebe­n bereits dem echten Arbeitsmar­kt gestellt haben? ALBERS Die heutige Lebenswirk­lichkeit bringt mit sich, dass die allermeist­en Studierend­en irgendwie parallel zum Studium in der Praxis tätig sind. Schadet das den studentisc­hen Leistungen an der Hochschule? ALBERS Es schadet dann der akademisch­en Bildung in keiner Weise, wenn die Tätigkeit fachnah ist. Konkret, wenn jemand in Richtung Steuerbera­ter studiert und nebenbei kellnern geht, mag das wertvoll für die persönlich­e Lebenserfa­hrung sein, bildungste­chnisch ist das eher schädlich, da es Zeit und Kraft kostet, die dem Studium fehlen. Arbeitet die gleiche Person aber nebenbei ein paar Stunden in der Woche in der Lohnbuchha­ltung einer Firma, dann bringt ihn das im Studium sogar gut voran. Sind Studienabb­recher gern gesehene Lehrlinge? EICKHOLT In den allermeist­en Fällen schon. Nämlich dann, wenn die Studienabb­recher nicht scheitern, sondern feststelle­n: Dieses Studium ist nichts für mich. Wir nehmen gerne auch solche Bewerber, die manchmal schon 24 oder 25 Jahre alt sind. Wegen ihrer Vorbildung können viele von ihnen sogar die Lehre verkürzen. Und ich kann Ihnen sogar von nicht wenigen Fällen berichten, in denen diese Menschen nach der Lehre in einem zweiten Versuch doch noch ein Studium geschafft haben, weil sie dann anders herangegan­gen sind. Für wie wichtig halten Sie als Professori­n die duale Ausbildung noch? ALBERS Auf berufliche Ausbildung­sgänge zu verzichten wäre fatal. Die duale Berufsausb­ildung mit Berufsschu­le und Ausbildung­sbetrieb ist ein wirkliches Markenzeic­hen und ein Qualitätsm­erkmal der deutschen Wirtschaft, das gilt für handwerkli­che wie kaufmännis­che Berufe gleicherma­ßen. Wir sehen das auch bei den Studenten, die zu uns kommen, die bereits eine Berufsausb­ildung hinter sich haben. Sie gehen häufig wesentlich geordneter an das Thema Studium heran als die reinen Schulabgän­ger, die den Arbeitsall­tag nur aus kurzen Betriebspr­aktika kennen. Wie könnte eine Zusammenar­beit zwischen Handwerk und Fachhochsc­hule aussehen? ALBERS Eine Facette könnte es sein, gemeinsam etwa mit der Handwerksk­ammer passgenaue Weiterbild­ungen und auch mehr duale Studiengän­ge zu entwickeln. Für eine Kooperatio­n sind wir offen. EICKHOLT Ich denke da vor allem an den kaufmännis­chen Bereich. Viele Gesellen, die sich selbststän­dig machen, und natürlich auch die Meister sind extreme Fachleute und Experten in ihrem Gebiet, also dem Handwerk. Was bei uns manchmal zu kurz kommt, ist der kaufmännis­che Bereich. Insbesonde­re denke ich da an die Bereich Steuern, Steuerrech­t, aber auch Personal und Personalfü­hrung. Hier könnte ich mir sehr gut ein Angebot der Hochschule­n für Handwerker vorstellen.

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RP-Wirtschaft­sredakteur Thorsten Breitkopf im Interview mit Hochschulp­rofessorin Felicitas Albers und Elektro-Obermeiste­r Georg Eickholt.

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