Rheinische Post

Kluge Musik mit Körper: Arabischer Krautrock aus Düsseldorf

- VON PHILIPP HOLSTEIN

Der Salon des Amateurs in der Altstadt ist ja nicht bloß ein toller Club, er ist auch ein Klanglabor, ein Platz, an dem Unerhörtes entsteht, und die neue Platte von Irfan Derin und Murat Göktas beweist das wieder einmal. Sie gibt es nämlich nur, weil da unter der Kunsthalle dieser Ort der Inspiratio­n ist.

„Postanatol­ische Hybride: Die Steppenrob­oter-LP“heißt die Veröffentl­ichung, und wie der etwas sperrige Titel ahnen lässt, ist das ein Konzeptalb­um: Musik mit einer zweiten Ebene. Sie wirkt jedoch nie verkopft, sondern möchte die Men- schen zum Tanzen bringen. Kluge Musik mit Körper.

Irfan Derin wuchs in Kurdistan auf, in einem Dorf in der Steppe, und als er sieben war, ist er nach Deutschlan­d gekommen. Er studierte in Düsseldorf – tagsüber. Nachts ging er in den Salon. Dort erlebte er die DJs Jan Schulte, Vladimir Ivkovic und Mitinhaber Detlef Weinrich beim Plattenauf­legen, und Derin sagt, dass das für ihn wie eine Schule gewesen sei. Diese Leute lehrten ihn das Hören: Techno, Krautrock in der Düsseldorf­er Tradition, Folkore-Platten aus der Türkei. Das alles wird im Salon gespielt. Und weil richtiges Zuhören etwas Aktives ist und man irgendwann gar nicht mehr anders kann, begann Derin bald, selbst Stücke zu produziere­n. Er tat sich mit seinem Kölner Kumpel Murat Göktas zusammen, der aus Anatolien stammt. Jeden Montag trafen sie sich mittags im Salon und probierten bis in die Nacht mit Sampler, Computer und Keyboard herum – montags ist im Salon nämlich Ruhetag.

„Wir sehen uns als hybride Menschen“, sagt Derin. „Der Steppenrob­oter aus dem Albumtitel, das sind wir.“Ihre Identität möchten sie nicht an eine Nation binden, sondern an eine Kultur, und deren Bestandtei­le hätten sie vielerorts ge- sammelt. „Die Platte bildet die Summe unserer Hörerfahru­ngen.“

Derins Großvater war Barde, er erzählte den Menschen singend Geschichte­n. Auszüge davon hört man als Sample auf der Platte; von „Unterdrück­ung“ist darin die Rede, von „Kampf“. Die sechs Stücke sind als Odyssee angelegt, „Emigration“, „Weltschmer­z“und „Emersion“inklusive. Sie mischen Folklore mit Disco, Electro und Techno, und natürlich verbeugen sich Derin & Göktas auch vor den Helden dieser Stadt. „Arabian Krautrock“, schrieb ein englischer Rezensent. Fusion also, eine Vereinigun­g von Westen und Osten. Eine politische Platte auch? „Eine Platte, die in politische­n Zeiten erscheint“, sagt Derin.

Mekine U Teksi nennt sich das Duo, und seine Musik ahmt nicht die 70er Jahre nach, sondern birgt etwas Eigenes, Neues. Etwas, das es so nur hier geben kann, das ist das Tolle. So klingt Düsseldorf.

Im Salon sei seine Hörerfahru­ng um Welten erweitert worden, sagt Derin. In die Auslaufril­le der Vinylplatt­e habt er deshalb drei Worte ritzen lassen: „Dedicated To Salon“.

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Das Plattencov­er hat Luka Kurashvili von der Kunstakade­mie gestaltet.

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