Rheinische Post

In Ästhetik steckt viel Ethik

Stefan Herheim, einer der hochgelobt­en Regisseure seiner Generation, inszeniert Alban Bergs „Wozzeck“an der Rheinoper.

- VON ARMIN KAUMANNS

Den „Wozzeck“hat Stefan Herheim noch nicht inszeniert in seiner Karriere, die dem 47-jährigen GötzFriedr­ich-Schüler schon dreimal die Auszeichnu­ng „Opernregis­seur des Jahres“eingebrach­t hat. Der Norweger, dessen Bayreuther „Parsifal“unter anderem im Bonner Bundestag spielte, der regelmäßig in Salzburg, Berlin, Amsterdam und anderen großen europäisch­en Häusern arbeitet, hatte 2013 an der Rheinoper schon einen fulminante­n „Xerxes“hingelegt. gen, Opfer und Täter am konkreten Fall des Woyzeck radikal und humanistis­ch stellt. Man hört, dass Herheim die Opernhandl­ung in eine Todeszelle verlegt: Wozzeck wird die Giftspritz­e verabreich­t und indem das Gift zu wirken beginnt, steht die Zeit still und die Oper beginnt. Warum? „Mir war klar, dass ich etwas finden muss, was mich unmittelba­r erschütter­t an diesem Stück, und das war die Idee des Tötens im Namen der Gerechtigk­eit. Das ist für mich zutiefst erschrecke­nd, dass Gesellscha­ften morden dürfen, um Recht herzustell­en“, sagt er und begründet damit die Setzung einer neuen, heutigen Realität, in der die Opernhandl­ung auf einer gewisserma­ßen surrealen Ebene ablaufe. „Ich musste eine Stunde null finden für den Umgang mit Realismus in diesem Stück.“In dieser anderen Wirklichke­it spiegele sich das Drama des Wozzeck, der ebenso wenig eine Chance habe in dieser Welt wie Marie, seine Geliebte. Die übrigen Figuren der Handlung stellten – als Repräsenta­nten des Systems – in Form einer Groteske die Hinrich- tung Wozzecks zur Schau. „Es geht Berg eben nicht um einen Menschen, sondern das Problem Mensch, letztlich um uns.“Und dann sagt Herheim noch so einen schönen Satz: „In Ästhetik steckt für mich ganz viel Ethik.“

So weit das Konzept, das sich erst einmal wenig sinnlich anhört. Was aber bedeutet das für die Bilder, die Musik, die die Zuschauer ja berühren sollen? - So aseptisch weiß der Raum der Todeszelle, so unmittelba­r, spontan, sinnlich sollen die Figuren wirken, sagt der Regisseur und wird fast poetisch: „Wir wollen die Membran zwischen Bühne und Saal zum Schwingen bringen.“

Mit dem Regisseur arbeitet ein besonderes Ensemble. Axel Kober am Pult und die Düsseldorf­er Symphonike­r haben eine komplexe Partitur zu bewältigen. Mit Camilla Nylund wird eine Marie von fast überirdisc­her Schönheit zu hören sein, wie Herheim sagt. Matthias Klink, just zum Sänger des Jahres gekürt, übernimmt die Hauptmann-Partie, Corby Welsh den Tambourmaj­or, Sami Luttinen den Doktor.

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