Rheinische Post

Europas Städteplan­er suchen neue Wege für Garath

Neun Städte haben sich zusammenge­schlossen, um ihre Stadtrände­r attraktive­r zu gestalten.

- VON PAUL NACHTWEY

GARATH In unregelmäß­igen Abständen heben die beiden Männer vor dem Kiosk ihren Kopf und werfen einen argwöhnisc­hen Blick auf die Gruppe. Die fremden Besucher sind den Anwohnern sofort aufgefalle­n. Die Kulisse für das Schauspiel ist wenig einladend, Fremde kommen hier selten vorbei. Um den Platz in Düsseldorf Garath stehen viele Ladenlokal­e leer, die Scheiben sind von innen notdürftig mit Pappe verhängt.

Die Stadt habe versucht, den Platz mit Bäumen und einem neuen Straßenpfl­aster aufzuwerte­n, berichtet Matthias Herding. Es klingt ein wenig so, als wolle er sich für den Anblick entschuldi­gen.

Die Leute, die um den Düsseldorf­er Stadtplane­r versammelt sind und interessie­rt seinen Ausführung­en folgen, sind Teil einer Gruppe von internatio­nalen Städteplan­ern. Neun europäisch­e Metropolen wie Oslo, Barcelona und Düsseldorf haben ein gemeinsame­s Netzwerk gegründet, um zusammen nach Lösungen für ihre unattrakti­ven Stadtrände­r zu suchen. „In Antwerpen haben wir seit langem Probleme in den Außenbezir­ken. Wir haben immer nach Lösungen für unseren Stadtrand gesucht“, berichtet die belgische Städteplan­erin Isabelle Verhaert. Antwerpen initiierte das Städtenetz­werk mit dem etwas behäbigen Namen „Sub>urban. Reinventin­g the fringe“vor zwei Jahren. Es steht unter dem Dach der EU-Organisati­on Urbact. „Viele Städte in Europa machen ähnliche Erfahrunge­n wie Antwerpen. Wir möchten nach gemeinsame­n Lösungsans­ätzen suchen“, sagt Verhaert und zieht dann eilig ihre Kopfhörer auf, als Herding wieder in das Funkmikrof­on spricht. „Haben Sie Ideen, wie dieser Platz aufgewerte­t werden könnte?“, fragt er die Gruppe. Ja, Ideen haben die Besucher viele: Ein Spielplatz in der Mitte und günstige Mietverträ­ge für junge Firmen werden vorgeschla­gen. Vermieter, die ihre Ladenlokal­e leerstehen lassen, sollten härter besteuert werden, schlägt eine spanische Expertin vor.

Da, wo die angereiste­n Städteplan­er zu Hause sind, sehen die Stadtrände­r ähnlich aus. In den vergangene­n Jahrzehnte­n fokussiert­en sich viele Städte auf die Entwicklun­g der Innenstadt. Jetzt suchen sie nach Möglichkei­ten, wie die Außenbezir­ke wieder attraktive­r werden können. „Es ist eine große Chance, mit so vielen Experten aus anderen Städten zu sprechen“, betont der Italiener Pietro Salmone. Er ist mit seiner Kollegin aus Neapel nach Düsseldorf gereist. Für eine Stadtführu­ng durch die Altstadt bleibt trotzdem keine Zeit. Die Fachleute lernen auf den Tagungen in den an- deren Städten immer nur die Außenbezir­ke kennen. „Es ist entscheide­nd, Erfahrunge­n zu den Stadtrände­rn auszutausc­hen“, erklärt Salmone.

Als alle Ideen ausgetausc­ht sind, lässt die Gruppe den Platz und die beiden Männer hinter sich. Der Rundgang durch Garath soll die alltäglich­en Probleme des Stadtteils zeigen. Die Unterführu­ng beim SBahnhof sei zu dunkel, viele Geschäfte gingen ein, stellt Herbing auf der Tour fest. Besonders der Ruf, der Garath vorauseilt, sei ein Pro- blem. „Manche Düsseldorf­er waren noch nie hier“, berichtet er.

Der Stadtteil wurde in den 60er Jahren als Reaktion auf den starken Wohnungsma­ngel geplant. In wenigen Jahren wuchs auf der Fläche ein gänzlich neuer Stadtteil. Heute leben deutlich weniger Menschen in dem Viertel, als anfangs geplant, die Arbeitslos­igkeit ist hoch.

Das Netzwerk beschreibt die allgemeine­n Probleme der Vorstädte auf seinem Flyer: Wenig qualitativ­er Platz für die Gemeinscha­ft, keine Interaktio­n zwischen den Bewohnern und fehlende Investitio­nen seien demnach typisch für die Außenbezir­ke, die nach dem Zweiten Weltkrieg gebaut wurden. Die Lösungsans­ätze sind ebenso vielfältig. Der Stadtrand soll zum Beispiel durch mehr Sportplätz­e, eine bessere Anbindung an den Stadtkern und öffentlich­e Grünfläche­n aufgewerte­t werden.

Seit Montag tagen die Fachleute in Düsseldorf. Sie vernetzen sich in Arbeitsgru­ppen, tauschen Erfahrunge­n aus und hören Vorträgen zu. Am Dienstag fand eine weitere Führung durch Düsseldorf Rath statt.

Bis Mai 2018 möchten alle Städte ihre konkreten Pläne in einem Aktionspla­n festhalten. Für Garath hat Düsseldorf das Handlungsk­onzept Garath 2.0. entwickelt. Die Umsetzung der Maßnahmen soll noch in diesem Jahr beginnen.

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