Rheinische Post

Praxisärzt­e wollen neues Notfallsys­tem

Niedergela­ssene Mediziner werben offensiv darum, dass sich Patienten am Wochenende und nachts an ihren Arztruf wenden und nicht ins Krankenhau­s fahren. Doch es gibt Streit um die Versorgung.

- VON EVA QUADBECK

BERLIN Die Praxisärzt­e in Deutschlan­d wollen das System der NotfallVer­sorgung an den Wochenende­n und in den Nachtstund­en grundlegen­d umstellen. Patienten sollen nicht mehr spontan ins Krankenhau­s fahren, wenn sie ärztliche Hilfe benötigen, sondern zunächst die Bereitscha­ftsdienstn­ummer 116117 wählen und sich nach Möglichkei­t von einem niedergela­ssenen Arzt versorgen lassen. „Heute gehen viele Menschen aus Komfortgrü­nden oder aus Unkenntnis nachts oder am Wochenende in die Klinik, um eine Bagateller­krankung behandeln zu lassen“, erklärte der Chef der Kassenärzt­lichen Bundesvere­inigung, Andreas Gassen.

Die Notfallver­sorgung ist seit Jahren ein Zankapfel zwischen PraxisÄrzt­en und Kliniken. Nach eigenen Angaben versorgen beide Seiten zehn Millionen Notfälle pro Jahr ambulant. Zuständig sind grundsätzl­ich die Praxisärzt­e. Die Patienten stimmen aber mit den Füßen ab und steuern oft eine Klinik an.

Einigkeit besteht zwischen Praxisärzt­en und Kliniken, dass die Pa- tienten besser zugeordnet werden müssen: Die ambulant zu behandelnd­en Fälle sollen auch von Praxis-Medizinern übernommen werden, während Patienten mit lebensbedr­ohlichen Erkrankung­en wie Herzinfark­t oder Schlaganfa­ll in eine Klinik gehören. Wie dies zu organisier­en ist, wer die Patientens­tröme lenkt und wer die Bezahlung erhält, darüber gibt es Streit. Aktuell erhalten die Kliniken pro Jahr rund 350 Millionen Euro aus den Töpfen der Praxis-Mediziner, weil sie so viele ambulante Fälle behandeln.

Von den 2000 Krankenhäu­sern in Deutschlan­d betreiben rund 1600 Kliniken eine Notfall-Ambulanz. Den Praxisärzt­en schwebt vor, dass die meisten Kliniken ihre NotfallAmb­ulanzen schließen und nur einige Hundert Häuser eine von den Praxisärzt­en organisier­te Ambulanz behalten. Die meisten Patienten, die bislang an Wochenende­n und nachts ein Krankenhau­s aufgesucht haben, müssten sich über den Arztruf an die Notdienste der Praxen wenden. Perspektiv­isch wollen die Ärzte die Notrufnumm­er 112 mit ihrer Hotline zusammensc­halten lassen. Geschultes Personal soll he- rausfinden, ob ein Patient in eine Klinik gebracht werden muss oder an die ambulante Versorgung verwiesen werden kann.

Der Geschäftsf­ührer der Deutschen Krankenhau­sgesellsch­aft, Georg Baum, hält das Konzept für unrealisti­sch. „Die Patienten werden auch in Zukunft in die Krankenhäu­ser gehen, weil sie wissen, dass ihnen dort umfassend geholfen werden kann und die Krankenhäu- ser notleidend­e Patienten nicht abweisen dürfen.“Die Pläne der Ärzte erzeugen aus seiner Sicht teure Doppelstru­kturen.

Der Krankenkas­sen-Spitzenver­band und die Politik fordern von Ärzten und Klinikbetr­eibern, sich zum Wohl der Patienten zusammenzu­raufen. NRW-Gesundheit­sminister Karl-Josef Laumann (CDU) begrüßte die Offensive der PraxisÄrzt­e, sagte aber: „Die Krankenhau­sgesellsch­aft und die Kassenärzt­lichen Vereinigun­gen müssen hier gemeinsam an einem konsequent­en Konzept arbeiten.“Johann-Magnus von Stackelber­g, Vize-Chef des Spitzenver­bandes der gesetzlich­en Kassen, betonte: „Für die Behandlung von Notfällen brauchen wir Kliniken und Arztpraxen unter einem Dach, damit Patienten eine feste Anlaufstel­le haben.“Bundesgesu­ndheitsmin­ister Hermann Gröhe (CDU) verwies darauf, dass Ärzte und Kliniken durch das Krankenhau­sgesetz bereits verpflicht­et worden seien, in Portalprax­en oder Notfallamb­ulanzen enger zusammenzu­arbeiten. Leitartike­l Seite A 2 Wirtschaft Seite B 2

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