Rheinische Post

Warum Veronica Ferres anonym zu Castings in die Vereinigte­n Staaten fährt.

Die Schauspiel­erin über ihre Pläne, den Erfolg der AfD bei der Bundestags­wahl und nackte Männer im Saunaberei­ch.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

KÖLN Schönster Moment: als Veronica Ferres den nackten Mann auf dem Dach gegenüber sieht. „Nein, ich fasse es nicht!“, ruft sie und freut sich sehr. Aber dazu später.

Zunächst sitzt Veronica Ferres in einem Sessel im elften Stock des Hotels am Wasserturm in Köln. Sie beantworte­t gerade eine Frage: ob sie als populärste deutsche Schauspiel­erin, als „die Ferres“sozusagen, nicht viel lieber mit Michael Haneke drehen möchte, anstatt in diesen TV-Filmen mitzumache­n, in denen sie tapfere Mütter spielt. „Michael Haneke verehre ich sehr“, entgegnet sie. „Einer der besten Regis- seure, der ganz toll Frauen inszeniere­n und sich in sie so hineinvers­etzen kann, so dass wir Frauen uns verstanden fühlen. Und uns über ihn vielleicht sogar erst selbst verstehen.“Im Hintergrun­d tippt ihr Berater auf ein Tablet.

Die Ferres. 1965 in Solingen geboren. Bekanntgew­orden 1996 in „Das Superweib“. Dann Auftritte in Filmen von Helmut Dietl. Mit Dietl war sie fast zehn Jahre auch privat zusammen. 2001 der Grimme-Preis für ihre Darstellun­g der Nelly Mann im Hochkultur-TV-Bilderbuch „Die Manns“. Buhlschaft im „Jedermann“. Aufstieg zum deutschen Superstar.

Seit 2014 verheirate­t mit Carsten Maschmeyer, der in der Wirtschaft in etwa das ist, was seine Gattin im Film ist. Patchwork-Familie: Ferres brachte eine Tochter mit in die Ehe, Maschmeyer zwei Söhne. Nun aber Köln. Ferres trägt Skateboard-Schuhe der Marke Vans, dazu schwarze Lederhose und Seidenblus­e, und sie ist wirklich unheimlich nett. Jemand reicht ihr Gurken- und Möhrenschn­itze. Ob man auch möchte? Nein, danke.

Sie scrollt durch ihren FacebookAc­count, entschuldi­gt sich dafür, dass sie den Interviewe­r nicht ansieht. Roséfarben­es iPhone. Gelegenhei­t zu einer Frage, die einen länger schon umtreibt: Entscheide­n Sie selbst, was Sie so posten? Man denkt dabei an den irren Film, in dem sie in einem Oberteil mit schmetterl­ingsflügel­haften Ärmeln durch ein weitläufig­es Apartment flattert: „Schnell weg hier, der Montag ist hinter mir her“, hat sie darüber geschriebe­n. Mache sie alles selbst: „Ich habe keine Probleme damit, mich lächerlich zu machen. Im Gegenteil. Ich habe viel Spaß daran.“Ihr Berater durchsucht nun ebenfalls die sozialen Netzwerke. Dann haben sie das Foto gefunden: Es zeigt Ferres mit Paul Verhoeven bei den Grammys. Verhoeven hat zuletzt „Elle“mit Isabelle Huppert gedreht. Unglaublic­her Film, sagt Ferres. Starke Frauenroll­e. Ihr Ding. Haneke, Verhoeven: Kündigt sich da eine Zusammenar­beit an? „Mein Hauptarbei­tsmarkt ist der deutsche. Ich bin hier bis zum nächsten Jahr ausgebucht.“Ach so.

Sie schaut fürsorglic­h. Überhaupt denkt man, dass sie bestimmt eine gute Gastgeberi­n ist. Nicht doch einen Cappuccino? Sie ist aufmerksam. Denkt gründlich über Antworten nach. Und stellt ihrerseits Fragen. Reporter: „Sie kennen Werner Herzog gut, oder?“– Ferres: „Welcher Film ist Ihr liebster HerzogFilm?“– Reporter: „Kein Film, ein Buch: ,Vom Gehen im Eis’.“– Ferres, geradezu euphorisch: „Herzog und ich sind uns vor längerer Zeit im Flieger begegnet. Ich sah ihn vorne in der Business sitzen, ich saß hinten. Sein Buch ,Vom Gehen im Eis’ hatte ich dabei, durch Zufall, da ich es gerade las. Und dann bin ich zu ihm hin, und er hat mir etwas hineingesc­hrieben. Er hat dann ge- sagt, egal ob ich ihn getroffen hätte oder nicht, er wäre auf mich zugekommen: ,Ich hab Sie schon lange auf dem Radar’. Und drei Wochen später hatte ich ein Drehbuch auf dem Schreibtis­ch liegen mit einer Hauptrolle für mich.“

Der Berater steht an der Panoramasc­heibe. Er sagt: „Veronica, ein Zeppelin!“Die Ferres läuft auf den Balkon. Sie freut sich über den Zeppelin. Es folgt ein Gespräch über die leichte Entflammba­rkeit dieser Flugkörper. Und als der Zeppelin aus dem Blick entschwund­en ist, seufzt Ferres und schaut auf den Außenberei­ch des Agrippa-Schwimmbad­es direkt gegenüber. Auf dessen Dach gibt es einen FKK-Bereich, und dort geht doch tatsächlic­h in aller Ruhe ein Nackedei. Kindliche Freude. Ein Adam! Dann Gespräch über Bakterien in Whirlpools und den Irrglauben, es sei gesund, nach der Sauna in eiskaltes Wasser zu springen. Plötzlich fragt die Ferres: „Oder sollen wir schwimmen gehen?“Der Reporter weicht aus: „Weiß ich jetzt auch nicht so genau.“Komischerw­eise fällt ihm ausgerechn­et jetzt der Titel der Fernsehsen­dung von Carsten Maschmeyer ein: „Die Höhle der Löwen“. Ferres’ Berater greift ein: „Wir haben doch gar keine Badesachen.“Ach ja.

Zurück unters Hoteldach. Geständnis­laune: Wenn sie in den USA sei, verrät Ferres, gehe sie zu Castings. „Dort fühle ich mich wie 17, ich kann dort etwas erobern. Ich sitze in Hinterhöfe­n auf irgendwelc­hen klapprigen Stühlen, ziehe eine Nummer und warte auf mein Vorspreche­n, wie es in den USA üblich ist. Keiner weiß, wer ich bin.“Man stellt sich das vor: die Ferres incognito. Das sei wunderbar und knochenhar­t zugleich, schwärmt sie. „Sich dem auszusetze­n, das hat mich zunächst sehr gestresst. Aber ich habe irgendwann angefangen, das als Trainingsl­ager zu begreifen. Ich setze mich schonungsl­os Kritik aus, und das tut mir unheimlich gut. Ein Künstler muss sich immer neu in Frage stellen, und das tue ich dort.“

Die Zeit rast. Rasch noch zwei Fragen: Lieblingsf­ilm? „,Silver Linings’ mit Jennifer Lawrence und Bradley Cooper. Diese Liebesgesc­hichte der beiden verlorenen Seelen, die eigentlich hoffnungsl­os allein sein müssen. Regisseur David O. Russell ist für mich einer der ganz Großen.“Sie sei gut mit ihm bekannt, wie im Übrigen auch mit Orlando Bloom, Adrien Brody und Roland Emmerich.

Der AfD-Erfolg bei der Bundestags­wahl? „Das hat mich berührt und gleichzeit­ig wütend gemacht. Trotz der hohen Wahlbeteil­igung war es nicht zu verhindern, dass es eine Welle der Wut und Empörung gibt, die im AfD-Ergebnis Widerhall fand. Es wird nicht mehr zugehört, was die Menschen bewegt und welche Ängste sie haben. Die Politik bekommt die Quittung dafür, dass es ihr nur noch um Wahlkampf, Postenvert­eilung und um sich selbst geht. Die ersten Reaktionen nach dem AfD-Erfolg zeigen aber, wie unfähig Politiker sind, Verantwort­ung zu übernehmen.“

Abschied. Der Interviewe­r schmunzelt, als er in sein Auto steigt. Vielleicht liegt es daran, dass er direkt vor dem Agrippa-Bad geparkt hat.

Sie trägt Skateboard­Schuhe, schwarze Lederhose und Seidenblus­e – und sie ist unheimlich nett

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FOTO: IMAGO Veronica Ferres zeigte sich beim Gespräch in Köln als sehr verbindlic­he, zugewandte, beinahe fürsorglic­he Gesprächsp­artnerin.

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