Rheinische Post

Mörder wollte Mörder töten

Gegen einen verurteilt­en Düsseldorf­er Amokläufer, der 2014 in Anwaltskan­zleien drei Menschen getötet hatte, wird erneut wegen eines Tötungsver­suchs ermittelt. Er verletzte einen Häftling, weil dieser ihn verpfiffen haben soll.

- VON WULF KANNEGIESS­ER UND CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Drei Jahre nach seiner Verurteilu­ng zu lebenslang­er Haft wegen eines Amoklaufs in Düsseldorf und Goch mit drei Toten und weiteren vier Verletzten wird gegen Yanqing T. (51), einen Koch aus China, wegen eines weiteren Tötungsver­suchs ermittelt. In der Justizvoll­zugsanstal­t (JVA) Bielefeld-Brackwede, wo der verurteilt­e Mörder derzeit seine Strafe verbüßt, soll er nach Informatio­nen unserer Redaktion im Februar einen Mitgefange­nen aus Rache mit den Scherben einer Porzellant­asse in der Halsgegend attackiert haben. Die Staatsanwa­ltschaft Bielefeld hat jetzt wegen eines möglichen Tötungsver­suchs Ermittlung­en gegen den 51Jährigen aufgenomme­n.

Zu der Tat in der Bielefelde­r JVA kam es möglicherw­eise nur wegen einer Justizpann­e. Beide Gefangenen saßen zuvor gemeinsam in der JVA Düsseldorf. Dort soll T. seinem späteren Opfer Frank W., der wegen Mordes an einem Krefelder Autohändle­r eine lebenslang­e Haftstrafe verbüßen muss, gesagt haben, dass er sich das Leben nehmen und vorher noch mindestens einen JVA-Bedienstet­en durch einen Hals-Biss töten werde. W. meldete das sofort dem JVA-Personal. Gegen den Koch wurden daraufhin zusätzlich­e Sicherungs­maßnahmen verhängt, und er wurde im April 2015 in die JVA Bielefeld-Brackwede verlegt. Zwei Jahre später wurde F. ebenfalls nach Bielefeld verlegt. Schon beim ersten Hofgang am 22. Februar soll es zu der Attacke gekommen sein. Der Angegriffe­ne, der dem Koch körperlich überlegen ist, kam mit Schrammen und Prellungen davon.

Peter Brock, Vorsitzend­er des Bundes der Strafvollz­ugsbediens­teten in NRW, kann die Verlegung des Opfers nach Bielefeld nicht nachvollzi­ehen. „So etwas sollte nicht passieren. Eigentlich wird darauf geachtet, dass man zwei Gefangene mit einer solchen Vorgeschic­hte nicht in dieselbe Anstalt sperrt und strikt voneinande­r trennt“, sagt Brock. Er könne sich das nur mit einer Kommunikat­ionspanne erklären. „Ich möchte keine Schuldzuwe­isungen machen. Aber es gibt eine Reihe von anderen Gefängniss­en, wohin W. hätte verlegt werden können.“

Das NRW-Justizmini­sterium lässt den Sachverhal­t erst prüfen, bevor man sich äußert. Der Leiter der JVA Bielefeld, Uwe Nelle-Cornelsen, bestätigte, dass es zu einem Vorfall zwischen den beiden Gefangenen gekommen ist. „Direkt am ersten Tag ist T. auf ihn losgegange­n. JVABediens­tete konnten aber rechtzeiti­g dazwischen­gehen“, sagt NelleCorne­lsen. Die Vorgeschic­hte der beiden Männer sei ihm nicht bekannt gewesen. Erst bei der anschließe­nden Befragung von T. habe man davon erfahren. „Aber ob das auch stimmt, wissen wir nicht. T. beschuldig­t häufig andere.“W. habe man in Bielefeld aufgenomme­n, weil die JVA Düsseldorf angefragt habe, ob das möglich sei. „W. saß bereits bis 2010 bei uns in Bielefeld. Wegen eines Vorfalls wurde er damals aus Sicherheit­sgründen nach Düsseldorf verlegt. Wir haben ihn dann halt zurückgeno­mmen, weil es diese Sicherheit­sbedenken nicht mehr gab“, so Nelle-Cornelsen.

T. hatte im März 2014 bei einem blutigen Amoklauf drei Menschen getötet. Er hatte zwei Anwälte erstochen und eine Kanzleimit­arbeiterin erschossen. Einem im Rollstuhl sitzenden Anwalt schoss er in den Bauch. Zudem legte er Feuer in Anwaltskan­zleien in Düsseldorf und im benachbart­en Erkrath. Als ein Motiv gab der Mann an, er sei von seinen Anwälten schlecht beraten worden. Das Düsseldorf­er Landgerich­t hatte ihn deshalb lebenslang hinter Gitter geschickt und zudem die besondere Schwere der Schuld festgestel­lt. Damit wird seine Freilassun­g frühestens nach 18 Jahren erstmals geprüft.

Der Düsseldorf­er Rechtsanwa­lt Martin Lauppe-Assmann, in dessen Büro der Amokläufer damals gewütet und dabei die zwei Anwaltskol­legen ermordet hatte, sieht sich nach der Tat in der Bielefelde­r JVA in seinen Befürchtun­gen bestätigt: „Der Mann war vorher schon gefährlich und ist es jetzt immer noch“, so Lauppe-Assmann, der nun auch den angegriffe­nen Mitgefange­nen vertritt. „Wenn die NRW-Justiz von Anfang angemessen auf die Gewalttate­n dieses Mannes reagiert hätte, dann wären schon die Morde in meinem Büro nicht geschehen.“Immerhin hatte der chinesisch­e Koch lange vor dem Amoklauf einem Kollegen in einem Düsseldorf­er Steak-Haus eine Bierflasch­e von hinten über den Kopf geschlagen, so dass das Glas zerbrochen ist. Kurz danach war er wegen eines ebenfalls tätlichen Angriffs auf seine Chefin in einer Pizzeria in Goch lediglich zu einer Geldstrafe verurteilt worden, weil er der Frau eine Ohrfeige versetzt hatte, bei der ihr Trommelfel­l zerrissen ist. Beide Taten wären aus Sicht von Lauppe-Assmann Grund genug gewesen, als Justiz viel härter gegen den gewaltbere­iten Koch vorzugehen.

 ??  ?? Rund vier Monate nach der Tat wurde Yanqing T. im Juli 2014 in Düsseldorf der Prozess gemacht. Bei seinem Amoklauf starben drei Menschen.
Rund vier Monate nach der Tat wurde Yanqing T. im Juli 2014 in Düsseldorf der Prozess gemacht. Bei seinem Amoklauf starben drei Menschen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany