„Der Familiennachzug ist ein falsches Signal“
Der neue CSU-Landesgruppenchef über seinen grünen Widersacher Jürgen Trittin, die AfD und die Rücktrittsforderungen an Parteichef Seehofer.
BERLIN Wir treffen Verkehrsminister Alexander Dobrindt in seinem Büro auf der CSU-Ebene im Jakob-Kaiser-Haus des Bundestags, wo sich Büros der Abgeordneten befinden – Dobrindt ist der neue Chef der CSUAbgeordneten in Berlin. Seine Möbel sind noch nicht alle da. Vor dem Büro steht noch eine Sitzgruppe in den Farben der großen Koalition: schwarz-rot. Mal sehen, ob dort künftig schwarze, gelbe und grüne Sessel stehen werden. Herr Dobrindt, die CSU hat mühevoll einen Kompromiss mit der CDU zur Migrationspolitik geschlossen. Ist der für die Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition in Stein gemeißelt? DOBRINDT Es geht hier nicht um politische Farbenlehre, sondern um ein zwingend notwendiges Regelwerk der Migration. Unsere Aufgabe ist es, die uns von den Wählern aufgegebene Agenda zur Flüchtlingspolitik abzuarbeiten und dafür zu sorgen, dass sich die Flüchtlingsbewegung nach Deutschland dauerhaft klar reduzieren lässt. Dazu gehört die Festlegung auf die Aufnahme von maximal 200.000 Menschen pro Jahr, die Fluchtursachen-Bekämpfung, die Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten, der Schutz der Grenzen, die Einrichtung von Entscheidungs- und Rückführungszentren und die weitere Aussetzung des Familiennachzugs. Der Grüne Jürgen Trittin hat Letzteres gerade als Verleugnung christlicher Werte bezeichnet. Wie sieht das Ihre Partei mit dem C im Namen? DOBRINDT Eine Lockerung beim Familiennachzug würde nicht zu weniger, sondern zu mehr Zuwanderung führen. Wir reden hier über Menschen, die subsidiären, also klar Schutz auf Zeit genießen. Diese Menschen sollen auch wieder zurück in ihre Heimat gehen können. Diese Rückführungen werden durch Familiennachzug deutlich erschwert. Außerdem ist es auch ein falsches Signal in die Welt. Alle sollten akzeptieren, dass die Integrationsfähigkeit unseres Landes eine Grenze hat. Sie werden bei den Sondierungsgesprächen aber wieder auf Trittin treffen. Was passiert, wenn die Grünen beim Familiennachzug hart bleiben? DOBRINDT Ich habe erlebt, wie Jürgen Trittin 2013 die Verhandlungen über Schwarz-Grün torpediert hat mit seinen vollkommen unrealistischen Forderungen nach einer Vielzahl von Steuererhöhungen. Möglicherweise hat er Interesse daran, die Verhandlungen über Jamaika diesmal mit dem Thema Migration zu verunmöglichen. Dann doch große Koalition, die ja eine absolute Ausnahme sein soll? DOBRINDT Die große Koalition hat in der vergangenen Wahlperiode in weiten Politikbereichen eine gute Arbeit geleistet. Wir wissen aber auch: Große Koalitionen können die Ränder stärken. Deshalb soll das keine Dauereinrichtung sein. Ich habe dennoch überhaupt kein Verständnis dafür, dass sich die SPD verantwortungslos vom Acker macht und aus parteitaktischen Gründen für Gespräche gar nicht zur Verfügung steht. Die SPD glaubt wohl, sie brauche vier Jahre Auszeit von der Politik. Man sollte in der Politik immer bereit sein, Verantwortung zu übernehmen – wenn das aus inhaltlichen Gründen dann nicht zusammenpasst, ist das etwas anderes. Aber sich komplett zu verweigern, ist schäbig. Die CSU hat viele Wähler an die AfD verloren. Wie wollen Sie diese rechte Flanke schließen? DOBRINDT In allen Regionen Deutschlands haben die etablierten Parteien an die AfD verloren. Es ist der gemeinsame Auftrag aller demokratischen Parteien, dafür zu sorgen, dass eine Partei vom rechten Rand wie die AfD nicht zur Dauereinrichtung im Bundestag wird. Die Ursachen, die zu einem 13-ProzentWahlergebnis der AfD geführt haben, müssen beseitigt werden. Ne- ben dem Thema Migration müssen die sozialen Themen eine große Rolle spielen, die innere und äußere Sicherheit sowie die Sicherheit bei Arbeit, Wachstum und Wohlstand. Die Angst vor sozialem Abstieg ist im Osten deutlich größer als im Westen. Auch daraus entsteht Protest. Wir brauchen eine neue Strukturpolitik im Osten. Dazu gehört die Ansiedlung von Behörden und Industrie. Welche? DOBRINDT Jetzt geht es darum, die grundlegende Entscheidung eine Strukturpolitik zu treffen. für Sollte Kanzlerin Angela Merkel oder CSU-Chef Horst Seehofer Platz für die nächste Generation machen? DOBRINDT Beide haben doch einen klaren Auftrag zur Regierungsbildung. Den wollen wir gemeinsam erfüllen. Haben Sie Zweifel an Seehofers Wiederwahl auf dem CSU-Parteitag? DOBRINDT Nein. Wie bewerten Sie die Rücktrittsforderungen an Seehofer? DOBRINDT Ich halte solche Beiträge in der jetzigen Phase einer historischen Situation für die CSU mit schwierigsten Verhandlungen in Berlin für kontraproduktiv und in Teilen auch unfair geführt. Wir haben eine der größten Herausforderung für die CSU seit Jahrzehnten: die Durchsetzung der notwendigen Inhalte bei einer Regierungsbildung nach einem schwierigen Wahlergebnis. Konkurrenzsituationen übrigens sind Normalität – nicht nur in der Politik. Aber es sollte fair und transparent zugehen. Und daran sollten sich alle halten. Ist das eine Ermutigung für Bayerns Finanzminister Markus Söder? DOBRINDT Ich gebe keine Empfehlungen an irgendjemanden speziell ab.