Rheinische Post

Trump will Atomabkomm­en mit dem Iran kündigen

Der US-Präsident könnte den Kongress heute dazu bringen, neue Sanktionen gegen Teheran zu verhängen.

- VON FRANK HERRMANN

WASHINGTON Im März vor zwei Jahren hat Tom Cotton schon einmal versucht, den Atomdeal mit dem Iran zu Fall zu bringen. Da war das Abkommen noch gar nicht geschlosse­n, und eine Zeit lang sah es so aus, als würde das Störmanöve­r des aufstreben­den Senators aus Arkansas Wirkung erzielen. In einem offenen Brief warnte Cotton die Iraner davor, auf das Wort Barack Obamas zu bauen. Abmachunge­n allein mit dem Weißen Haus seien selten von Dauer, da der Präsident alle vier oder acht Jahre wechsle, schrieb er und gewann 46 republikan­ische Parteifreu­nde als Mitunterze­ichner. Einen Vertrag, den der US-Senat nicht mit Zweidritte­lmehrheit ratifizier­e, könnte bereits der Nachfolger Obamas mit einem Federstric­h an- nullieren. Vielleicht wisse man in Teheran nicht, wie das US-Verfassung­ssystem konstruier­t sei.

Als entschiede­ner Gegner des Kompromiss­es, damals geschlagen, sieht sich der Hardliner inzwischen so gut wie am Ziel. Heute wird Donald Trump aller Voraussich­t nach die Weichen so stellen, dass es auf ein Ende der Vereinbaru­ng zuläuft, mindestens auf eine schwere Krise. Zum ersten Mal wird der US-Präsident nicht tun, was der Kongress alle 90 Tage von ihm verlangt: Er wird nicht bestätigen, dass sich der Iran an die Bestimmung­en hält. Das Paragrafen­werk, wird er wohl erklären, liege nicht im nationalen Interesse der Vereinigte­n Staaten. Danach hat der Senat zwei Monate Zeit, um über Konsequenz­en zu beraten. Die Kammer könnte Sanktionen verhängen, die im Zuge des Deals aufgehoben worden waren, oder aber einen neuen, noch härteren Katalog von Strafmaßna­hmen beschließe­n. Wie auch immer, nach den Worten Wendy Shermans wäre es der Moment, in dem sich Amerika in die Isolation begibt.

Mit der Entscheidu­ng, prophezeit die Ex-Diplomatin in einer Kolumne, werde Washington das Vertrauen jener Partner verspielen, die mit Obamas Emissären an der Übereinkun­ft gearbeitet hätten. China, Russland, Großbritan­nien, Frankreich und Deutschlan­d, sie alle wollten an dem Papier festhalten. Setze sich Trump darüber hinweg, treibe er einen Keil in die Allianz und lasse die Iraner moralisch auf dem hohen Ross sitzen, während die Chancen für Atomgesprä­che mit Nordkorea drastisch sinken würden. „In Pjöngjang wird man davon ausgehen, dass die USA ihre Zusagen nicht einhalten“, schreibt Sherman, Obamas Chefunterh­ändlerin für den Nukleardia­log.

Hier Cotton, dort Sherman, es sind die Pole einer Debatte, die freilich auch jede Menge Nuancen kennt. Folgt man Cottons Logik, dann hat der Kontrakt den Iran nur ermuntert, im Nahen Osten noch aggressive­r aufzutrete­n als zuvor, durch die kompromiss­lose Unterstütz­ung der libanesisc­hen Hisbollah, die Hilfe für den syrischen Autokraten Baschar al Assad, durch Waf- fenlieferu­ngen an schiitisch­e Rebellen im Jemen. Worauf Sherman entgegnet, gerade wegen Teherans aggressive­r Nahostpoli­tik sei das Atomabkomm­en so nötig gewesen: Ein nuklear bewaffnete­r Iran würde die regionale Stabilität noch viel mehr gefährden. Zudem geht es bei dem Dissens um das Jahr 2025, wenn die ersten Beschränku­ngen für das iranische Nuklearpro­gramm auslaufen. Die Administra­tion Obamas hat sich auch deshalb auf die sogenannte Sonnenunte­rgangsklau­sel eingelasse­n, weil sie der Kraft des Prinzips „Wandel durch Annäherung“vertraute. In dem Maße, wie alte Feindbilde­r aufweichen, würden sich in Teheran gemäßigte Kräfte durchsetze­n, Jüngere, denen der Sinn nach besseren Beziehunge­n mit dem Westen stehe, nicht nach dem Besitz eines Atom- Arsenals. Für Falken wie Cotton sind es „Fantasie-Visionen“naiver Weltverbes­serer. In Wahrheit, orakelt der Senator aus Arkansas, werde der Iran in dem Moment zur Nuklearmac­ht, in dem die Beschränku­ngen wegfielen. Ganz legal.

Vereinfach­t gesagt teilt Trump die Weltsicht Tom Cottons. Nur ist eben längst nicht jeder in seinem Kabinett bereit, sie zu übernehmen. Verteidigu­ngsministe­r James Mattis beantworte­te die Frage, ob der Deal im nationalen Interesse liege, neulich mit einem eindeutige­n Ja. Ähnlich sieht es Rex Tillerson, der Außenminis­ter, der gleichwohl von inakzeptab­lem Verhalten des Iran im Nahen Osten spricht. Ob Trump mit Blick auf Leute wie Mattis und Tillerson ein Türchen zum Kompromiss offenlässt – es ist die entscheide­nde Frage dieser Woche.

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