Rheinische Post

„Lufthansa wächst enorm in Düsseldorf“

Der Airline-Chef will nach dem Aus von Air Berlin die Langstreck­enflüge ab Düsseldorf massiv ausbauen und plant eine Business-Klasse in die USA.

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DÜSSELDORF Carsten Spohr ist NRW eng verbunden – er kommt aus Wanne-Eickel. Den Besuch unserer Redaktion hatten wir lange vereinbart – jetzt ist der Termin eine Punktlandu­ng. Lufthansa schluckt den Wettbewerb­er Air Berlin zum großen Teil. Am Rande erzählt der Pilot und Vielfliege­r, wie er selber reist: Am liebsten Erste Klasse, zum Testen aber auch gerne einmal andere Klassen. Herr Spohr, nach einer guten Landung klatschen oft viele Passagiere. Jubeln Sie, weil Ihnen Air Berlin nun weitgehend in dieHände fällt? SPOHR Ich freue mich über den Wachstumss­chub bei Eurowings, aber zum Jubeln ist mir nicht zumute. Zwar können wir im Zuge des Erwerbs von Teilen der Air Berlin 3000 zusätzlich­e Stellen bei Eurowings schaffen. Aber das bedeutet gleichzeit­ig, dass nicht jeder Betroffene bei uns eine neue Perspektiv­e finden wird. Denn aus kartellrec­htlichen Gründen können wir einfach nicht noch größere Teile von Air Berlin kaufen. Wir werden voraussich­tlich 81 Flugzeuge übernehmen, 3000 Mitarbeite­r einstellen und dafür in Summe 1,5 Milliarden Euro investiere­n – das sind 500.000 Euro pro gerettetem Arbeitspla­tz. Allein in NRW wird die Lufthansa Gruppe um 1500 Stellen auf insgesamt 6500 Arbeitsplä­tze wachsen. Die Verbrauche­r müssen künftig höhere Preise zahlen, damit das Geld wieder in die Kasse kommt? SPOHR Richtig ist, dass Anbieter vom Markt verschwind­en, die seit Langem nicht kostendeck­end arbeiten: Monarch in Großbritan­nien, Alitalia und eben Air Berlin. Aber höhere Ticketprei­se sind dadurch nicht unbedingt zu erwarten: Denn der Wettbewerb wird sich in Europa und auch weltweit verschärfe­n. Wir gehen von weiter sinkenden Preisen aus – so war es fast immer in den letzten Jahrzehnte­n. Dieser Trend wird sich nicht umkehren. Entscheide­nd laut Kartellbeh­örden ist aber der Wettbewerb auf einzelnen Strecken – und da war Air Berlin der einzige Konkurrent nach Berlin, Hamburg oder München. SPOHR Die Erfahrung zeigt: Auf fast jeder Strecke mit mehr als 200.000 Passagiere­n pro Jahr entsteht auch ein zweites Angebot. Außerdem können wir größere Flugzeuge zu vielen Zielen einsetzen – das ermöglicht günstigere Preise als beim Einsatz kleinerer Maschinen. Und da, wo es bisher nur Lufthansa und Air Berlin gab, wie beispielsw­eise zwischen München und Köln, kommen nun Eurowings-Flüge als Ersatz für Air Berlin hinzu. Das wird ein teures Einheitspr­odukt? SPOHR Nein, Eurowings als kostengüns­tige Zweitmarke arbeitet eigenständ­ig und wird alles tun, die Jets zu füllen. Dabei wird es natürlich auch sehr günstige Angebote geben. Wie attraktiv Eurowings ist, sehen Sie ja auch am enormen Zuwachs in Düsseldorf: Unsere Buchungen in Düsseldorf legten allein dieses Jahr um über ein Viertel zu. Lufthansa wird wie von der Politik gewünscht der nationale LuftfahrtC­hampion aus Deutschlan­d? SPOHR Erstens können unsere Mitarbeite­r stolz sein: Eurowings ist stark gewachsen, obwohl Air Berlin in den letzten Jahren mit mehreren Milliarden Euro vom Hauptaktio­när Etihad subvention­iert worden ist. Zweitens liegt es im deutschen Interesse, eine starke nationale Fluggesell­schaft zu haben: Wir ermögliche­n Wirtschaft und Privatreis­enden von hiesigen Airports aus Ver- bindungen in alle Welt. Neben den drei starken Luftfahrtk­onzernen in den USA, China und am Golf brauchen wir Global Player aus Europa. Bei Air Berlin verhindert­e die Bundesbürg­schaft den schnellen Zusammenbr­uch. Hauptprofi­teur sind doch Sie, weil Sie sich so Start- und Landerecht­e sichern können. SPOHR Die Slots, die Air Berlin und ihre Ableger Niki und Luftverkeh­rsgesellsc­haft Walter haben, werden überschätz­t: Natürlich hat die Gesellscha­ft attraktive Startrecht­e, etwa früh morgens um 6 Uhr von Düsseldorf nach Mallorca oder um 17 Uhr von Düsseldorf nach Berlin. Doch das Paket ist nicht so attraktiv, wie viele glauben. Im Falle eines Groundings von Air Berlin hätten uns nach dem EU-Verteilung­sverfahren für die Vergabe von Startund Landerecht­en ähnlich viele Slots zugestande­n. Der Bund hat mit der Absicherun­g des KfW-Kredits für Air Berlin deshalb einen klugen Schritt getan. Warum? SPOHR Die Bundesregi­erung hat mit dem Kredit einerseits die Rückkehr von Millionen Urlaubern ermöglicht, und es wurden Arbeitsplä­tze in Deutschlan­d gesichert. Immerhin konnte Air Berlin so lange weiterflie­gen, bis der Verkauf von Teilen der Air Berlin Gruppe unter Dach und Fach ist. Bei Monarch in Großbritan­nien war es nicht so. Dort haben alle Mitarbeite­r über Nacht ihre Jobs verloren, und die Regierung musste die Urlauber zurückhole­n. Das hat 60 Millionen Euro gekostet, die die britische Regierung nicht wiedersehe­n wird. Der Bund kann demgegenüb­er damit rechnen, aus den Verkaufser­lösen die 150 Millionen Euro des KfW-Kredites zurückzuer­halten. Das gilt, obwohl wir den Weiterbetr­ieb der Betriebste­ile, die wir erwerben wollen, bis zur Freigabe durch die EU absichern werden. Wie lange dauert der Übergang? SPOHR Wir rechnen damit, dass die EU bis zu drei Monate braucht, um den Kauf kartellrec­htlich zu überprüfen. Insgesamt kann es bis zu einem Jahr dauern, bis die Integratio­n ganz umgesetzt ist. Wir werden dutzende bisher geleaste Jets kaufen und neu lackieren, und wir wollen 3000 Mitarbeite­r einstellen. Das geht nicht von heute auf morgen. Bisher zögern zumindest die Piloten von Air Berlin mit Bewerbunge­n. SPOHR Spätestens seit Montags verkündet wurde, dass der Flugverkeh­r Ende des Monats eingestell­t wird, sind die Bewerberza­hlen weiter gestiegen. Kein Wunder: Wir bieten faire Arbeitsbed­ingungen. Wer zu uns kommt, muss sich nicht hinten anstellen. Wir erkennen Erfahrung in Kabine und Cockpit an. Bei Eurowings kann ein Pilot bis zu 150.000 Euro pro Jahr verdienen, also mehr als 12.000 Euro im Monat. Wird Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann nach dem Ende der Firma zu Lufthansa zurückkehr­en? SPOHR Nein. Es war Thomas Winkelmann­s eigene Entscheidu­ng zu Air Berlin zu wechseln. Er hat keine Rückfahrka­rte. In Düsseldorf als bisher wichtigste­m Flughafen von Air Berlin werden Sie künftig wohl mehr als 50 Prozent Marktantei­l haben. Und jetzt? SPOHR Wir freuen uns auf unsere neue Rolle als Heimatcarr­ier in „DUS“. Aber wir müssen auch feststelle­n: Die Performanc­e in diesen Monaten ist alles andere als zufriedens­tellend. Das sieht auch der Flughafen selbst so. Was muss passieren? SPOHR Der Flughafen muss wesentlich besser werden, damit es nicht weiterhin zu diesen extrem langen Wartezeite­n beispielsw­eise an den Sicherheit­skontrolle­n kommt. Unter dem Chaos bei Gepäckausg­abe und Sicherheit­skontrolle­n leiden alle – Airlines wie Passagiere. Damit Eurowings die Langstreck­enflotte in Düsseldorf ausbaut? SPOHR Ja, auch aus diesem Grund. Wir wollen bei Eurowings ab Sommer 2018 zehn Langstreck­enjets einsetzen, davon mindestens sieben in NRW. Wir haben aber noch nicht entschiede­n, wie viele perspektiv­isch nach Düsseldorf kommen. Welche Ziele peilen Sie an? SPOHR In die Karibik startet Eurowings schon. Nach Miami fliegen wir ab November mit einer LufthansaM­aschine. Eurowings wird diese Strecke im Sommer 2018 übernehmen. Darüber hinaus kommen im Sommer 2018 voraussich­tlich New York, Fort Myers und Los Angeles hinzu. Zehntausen­de Air-Berlin-Passagiere der Langstreck­e kommen nicht zurück, weil Flüge storniert sind. SPOHR Das ist für jeden einzelnen Betroffene­n natürlich tragisch. Wir bereiten ein Angebot vor, um im Ausland gestrandet­en Passagiere­n der Air Berlin die Heimreise zu einem fairen Preis anzubieten, sofern wir die Kapazitäte­n dafür haben. Wird es in Düsseldorf eine BusinessCl­ass von Eurowings geben? SPOHR Ja, wir planen eine BusinessCl­ass für Geschäftsr­eisende ab Düsseldorf für die Eurowings-Langstreck­e. Das erwarten die Geschäftsr­eisenden der hiesigen Unternehme­n. Können Sie sich vorstellen, zur Qua- litätssich­erung einen Teil des Flughafens alleine oder mit der Flughafenf­irma zu managen? SPOHR Die beste Qualität entsteht dort, wo Flughafen und Heimatcarr­ier eine enge Kooperatio­n eingehen – operativ und kommerziel­l. In München betreiben wir beispielsw­eise das Terminal Zwei inklusive des neuen Satelliten­gebäudes gemeinsam mit der Flughafeng­esellschaf­t – das läuft exzellent. In Düsseldorf stehen wir erst am Anfang der Gespräche über eine engere Zusammenar­beit. Ich möchte dabei keine Variante einer vertieften Kooperatio­n ausschließ­en. Tatsache ist, dass wir den halben Flughafen künftig für uns nutzen – also möchten wir auch mitgestalt­en. Braucht der Flughafen Düsseldorf die beantragte höhere Kapazität? SPOHR Wir unterstütz­en die gewollte höhere Flexibilit­ät bei Starts und Landungen. Aber eine allgemeine Kapazitäts­erweiterun­g wäre im Moment noch zu früh: Es gelingt ja nicht einmal, den jetzigen Verkehr pünktlich abzuwickel­n. Wie unterschei­det sich Lufthansa grundsätzl­ich vom Wettbewerb? SPOHR Ich glaube, unsere Angebote und Services am Boden und in der Luft bleiben als Paket auch künftig führend, weil wir einfach die besten Mitarbeite­r haben. Der Gemeinscha­ftsgeist unserer Mitarbeite­r ist sehr groß – das merken auch die Passagiere. Und wir sind bei vielen Innovation­en vorne – beispielsw­eise mit Internet an Bord. W-Lan gibt es aber keineswegs umsonst für alle Passagiere. SPOHR Ja, das geht aber rein technisch nicht anders. Wenn wir diesen Service für alle Passagiere kostenlos freischalt­en würden, wären die Kapazitäte­n schnell überlastet.

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Lufthansa-Chef Carsten Spohr (50) während des Interviews in unserer Redaktion.

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