Rheinische Post

Bereitscha­ftsdienst noch wenig bekannt

In der Anrufzentr­ale der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Nordrhein (KV) klingeln die Telefone täglich bis zu 5000 Mal. Das ist dem Betreiber immer noch zu wenig, denn rund ein Drittel aller Patienten sei in Krankenhau­sambulanze­n falsch.

- VON OLIVER BURWIG

DUISBURG Der Hausarzt macht zu, die Arztrufzen­trale macht auf: Jeden Tag nehmen die 150 Mitarbeite­r im Großraumbü­ro an der Duisburger Friedrich-Wilhelm-Straße Tausende Anrufe von Menschen entgegen, die außerhalb der Öffnungsze­iten ihres Arztes gesundheit­liche Probleme haben. Etwa 753.000 waren es im vergangene­n Jahr. Der Betreiber, die Kassenärzt­liche Vereinigun­g Nordrhein (KVN), will noch mehr. Noch immer würden die Ambulanzen der Krankenhäu­ser belastet durch Menschen, die eigentlich keine Notfälle sind, so die KVN.

„Samstag ist bei uns der anrufstärk­ste Tag“, sagt Michael Klein, Geschäftsf­ührer der Arztrufzen­trale (ARZ), die für ganz Nordrhein-Westfalen zuständig ist. Feiertags seien es noch mehr, dann hole sich Klein Verstärkun­g aus externen Callcenter­n. Seine Mitarbeite­r hören das Wort „Callcenter“nicht allzu gerne, geht es doch um Menschen in Not. Gut 457.000 von ihnen erkundigte­n sich 2016 nach der nächsten Not- dienstprax­is oder danach, ob sie überhaupt einen Arzt brauchten. 294.827 Hausbesuch­e durch Bereitscha­ftsärzte organisier­ten die Telefonist­en und Disponente­n. Rund 11.000 Menschen (1,5 Prozent) leitete die ARZ direkt an den Rettungsdi­enst weiter.

Laut Klein haben viele Anrufer Probleme mit dem Begriff „Ärztlicher Notdienst“. Sie missverstü­nden den Kassenärzt­lichen Bereitscha­ftsdienst (116 117) als Zentrale für Notrufe, mit denen sich die Patienten aber an den Rettungsdi­enst (112) wenden müssten.

Besonders auffällig für Klein: Obwohl eine Bandansage dem Anrufer automatisc­h sagt, welches der nächste Bereitscha­ftsarzt ist, warten sehr viele Anrufer, bis sie mit einem Mitarbeite­r verbunden sind, dem sie diese Frage dann noch einmal stellen. „Das hat etwas mit der Altersstru­ktur zu tun“, sagt Klein. Ältere Menschen würden häufiger einen persönlich­en Ansprechpa­rtner wünschen. Den finden sie in Altenpfleg­ern, Krankensch­western und Rettungssa­nitätern, die am ARZ Telefondie­nst haben. Sie erkundigen sich bei den Anrufern nach ihren Beschwerde­n und empfehlen dann, ob der Patient die Symptome zunächst weiter beobachten, auf einen Hausbesuch warten, zum Bereitscha­ftsarzt gehen oder den Rettungsdi­enst alarmieren soll.

„Rund ein Drittel aller Patienten, die in eine Krankenhau­sambulanz gehen, gehören eigentlich nicht dahin“, sagt Frank Bergmann, Vorstandsv­orsitzende­r der KV Nordrhein. Das bringe Krankenhäu­ser in die „Bredouille“, deren Kapazitäte­n für lebensbedr­ohliche Notfälle gebraucht würden. Das sagt auch NRW-Gesundheit­sminister Karl-Josef Laumann (CDU): „Viele Patientinn­en und Patienten kennen den Notdienst der Kassenärzt­lichen Vereinigun­gen und insbesonde­re die zentrale Rufnummer 116 117 bisher nicht. Das führt zu einer zunehmende­n Inanspruch­nahme der Notdiensta­mbulanzen der Krankenhäu­ser. Hier besteht dann die Gefahr von zu langen Wartezeite­n und einer Überlastun­g der behandelnd­en Krankenhau­s-Ärzte.“

Problemati­sch ist in diesem Zusammenha­ng laut ARZ-Geschäftsf­ührer Klein auch, dass es für Kliniken keinen finanziell­en Anreiz gebe, Patienten gegebenenf­alls an die Praxen des Bereitscha­ftsdienste­s zu verweisen, die schon zu 90 Prozent in den Krankenhäu­sern ansässig seien. „Die KV ist der Kostenträg­er für jeden ambulanten Notfall, egal, wo er behandelt wird“, sagt Bergmann. Er setze sich für eine Umstruktur­ierung des Bereitscha­ftsSystems und sogenannte­n Portalprax­en an den Kliniken ein, in denen die Ärzte des kassenärzt­lichen Notdienste­s und des jeweiligen Krankenhau­ses abrufbar sein sollen. Die Mehrzahl der Bereitscha­ftspraxen sei bereits so organisier­t oder auf dem Weg dorthin.

Unterstütz­t wird das Konzept der Portalprax­en auch durch den Spitzenver­band der Gesetzlich­en Krankenver­sicherunge­n (GKV): „Die Notfallver­sorgung muss sich nach den Bedürfniss­en der Patienten richten und nicht nach alten Strukturen. Deshalb müssen niedergela­ssene Ärzte und Kliniken besser Hand in Hand arbeiten“, so JohannMagn­us von Stackelber­g, stellvertr­etender Vorstandsv­orsitzende­r des GKV.

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