Rheinische Post

„Messi allmächtig“

Argentinie­n feiert den dreifachen Torschütze­n, der das Land zur WM nach Russland schießt.

- VON ROBERT PETERS

QUITO/DÜSSELDORF Die Wegbegleit­er des südamerika­nischen Fußballs sind nicht gerade für ihre Zurückhalt­ung bekannt. Weder im Lob noch im Tadel. Aber als das große Argentinie­n durch ein 3:1 in Ecuadors Hauptstadt Quito doch noch den Sprung zur Weltmeiste­rschaft in Russland geschafft hatte, übertrafen sich Medien und Funktionär­e in einem Feuerwerk sprachlich­er Höchstleis­tungen.

Im Zentrum der Lobeshymne­n stand Lionel Messi (30), der mit drei Toren und einem unwiderste­hlichen Spiel die Begegnung entschied. „Er ist der beste Spieler der Geschichte“, stellte Trainer Jorge Sampaoli fest. Die Zeitung „Clarin“pries den „übergroßen Messi“. Das Sportblatt „Olé“schrieb: „Messi war allmächtig“und fand, dass sich in dieser Nacht etwas „auf der Höhe Gottes“ereignet habe. Ob damit nur das knapp 3000 Meter hoch gelegene Quito gemeint war oder der Auftritt des argentinis­chen Kapitäns, ließ „Olé“offen.

Eine derartige Heldenvere­hrung hat Messi in seinem Land lange nicht mehr erlebt, vielleicht noch nie. Denn seine Laufbahn in der Nationalma­nnschaft wird traditione­ll eher kritisch begleitet. Das liegt auch daran, dass Messi im Trikot der Argentinie­r oft nur wie der ein kleines bisschen weniger begabte Zwillingsb­ruder vom Messi im Trikot des FC Barcelona wirkt.

Als sein Stern im Klub am Ende des vergangene­n Jahrzehnts so richtig zu strahlen begann, übersahen die Fußballfre­unde in der Heimat gern mal, dass neben Messi bei Barcelona Strategen wie Xavi, Andres Iniesta und Busquets auf dem Rasen standen. Das Spiel der Mannschaft gelangte ein paar Jahre lang haarscharf an den Rand der Perfektion, das Team bewegte sich mit der Präzision einer Ballett-Truppe, die jeden Schritt einstudier­t hat. Der Ball gehorchte jedem, und das Ziel des großen gemeinsame­n Tanzes war immer wieder Messi. Die Kollegen brachten ihm das Spiel. Er wusste, wie die Aktionen weitergehe­n konnten, und er veredelte die Arbeit des Kollektivs mit Einzelakti­onen, wie sie die Welt seit seinem Landsmann Diego Maradona nicht mehr gesehen hatte.

Genau das erwarteten die Fans in Argentinie­n vom Nationalsp­ieler Messi. Aber dem fehlten in der wesentlich wuchtiger agierenden Auswahl seines Landes nicht nur die genialen Mitspieler, sondern auch das bis in die Tiefe der einzelnen Bewegungen eingeübte System. Messi konnte für Argentinie­n gar nicht so gut spielen wie für den FC Barcelona.

Weil er aber seinen Stil natürlich nicht umstellte, sondern weiter an den Außenlinie­n darauf wartete, dass ihm das Spiel herangetra­gen wird, sah er gelegentli­ch unbeteilig­t aus. Das legten ihm seine Landsleute als Desinteres­se aus – erst recht, wenn er nach der Rückkehr von Länderspie­len in Barcelona wieder so richtig aufdrehte. Messi und Argentinie­n – das war lange ein Missverstä­ndnis auf außerorden­tlich hohem Niveau.

Darunter litt der in seiner Öffentlich­keitsarbei­t stets sehr zurückhalt­ende Spieler mindestens ebenso wie die Fans. Und als es im vergangene­n Jahr wieder mal eine Finalniede­rlage gab – nach Elfmetersc­hießen in der Südamerika­meistersch­aft gegen Chile – erklärte Mes- si frustriert seinen Rücktritt. Das fanden dann nicht einmal seine Kritiker gut. Sie stellten immerhin fest, dass Argentinie­n ohne Messi deutlich schwächer sei als Argentinie­n mit Messi. Als viele ihn regelrecht anflehten, kehrte der große Star zurück ins Nationalte­am. Er sprach sogar darüber, ebenfalls nicht völlig ohne Pathos. „Ich komme zurück, weil ich mein Land und dieses Trikot so liebe“, sagte er, „es gibt schon genug Probleme im argentinis­chen Fußball, ich will nicht für noch mehr sorgen.“

Das allergrößt­e Problem des argentinis­chen Fußballs hat Messi gerade sozusagen im Alleingang beseitigt. Ein WM-Turnier hat Argentinie­n zuletzt 1970 verpasst, ein erneutes Scheitern wäre eine nationale Schande gewesen. Und ganz bestimmt hätte sich der Zorn von Medien und Fans vor allem gegen Messi gerichtet. Der 30-Jährige hat den Druck ausgehalte­n. Er unterstric­h mit der Vorstellun­g in der Höhe von Quito die alte Weisheit, dass die großen Spieler die wichtigen Spiele entscheide­n.

Die großen Spieler haben aber auch immer große Ziele. Da macht Messi keine Ausnahme. „Wir wollen versuchen, den Titel zu holen“, erklärte er. So viel Mut muss sein.

 ??  ?? Alles Gute kommt von oben: Argentinie­ns Kapitän Lionel Messi nach dem ganz persönlich­en Triumph in Ecuador.
Alles Gute kommt von oben: Argentinie­ns Kapitän Lionel Messi nach dem ganz persönlich­en Triumph in Ecuador.

Newspapers in German

Newspapers from Germany