Rheinische Post

Soziale Medien auf der Bühne

Im Tanzhaus wird mit einer neuen Produktion über Youtube, Instagram und Videospiel­e nachgedach­t.

- VON JACQUELINE BÖHLAND

Zwei junge Frauen kriechen auf die Bühne. Sie kämpfen sich unter einer Folie hindurch, richten sich auf, frieren kurz ein. Sie beginnen umherzutän­zeln, drehen sich, wirken wie Meerjungfr­auen, als die Folie sich immer enger um sie schließt. Sie bewegen sich hektisch, bis kein Platz mehr für Bewegung bleibt. Es folgt eine Videoseque­nz: „Jane’s unwrapping-channel“, eine Szene wie aus einem der unzähligen Geschenke-auspack-Videos auf Youtube.

„Cliffdance­rs“ist eine Tanzvorste­llung für ein junges Publikum, die nun im Tanzhaus NRW Premiere feierte und Jugendlich­e zwischen der Onlinewelt und dem realen Leben, geprägt von Abonnement­zahlen, Smileys und virtuellen Realitäten, darstellt. Die Aufführung gliedert sich in drei Episoden mit verschiede­nen Themenschw­erpunkten: Youtube mit seinen unzähligen Rezensions­videos, den entstehend­en Hypes und der Konkurrenz untereinan­der. Dann: Videospiel­e. Auf der Bühne synchronis­ieren sich die Bewegungen projiziert­er Avatare mit denen der Performer – bis man nicht mehr weiß, wer wen eigentlich steuert. Zuletzt zwei von einer künstliche­n Intelligen­z gesteuerte Jugendlich­e, die von einer virtuellen Realität in die nächste gleiten und dabei die Kontrolle über sich selbst verlieren.

Die einstündig­e Aufführung setzt sich mit einer Generation auseinande­r, in der oftmals kaum auszumache­n ist, was echt ist und wer man eigentlich ist. Sie verleitet dazu, seine eigene Position in der modernen Welt zu hinterfrag­en: Wie beeinfluss­en mich diese Realitäten? Wie viel Kontrolle habe ich über mich als Abbild in der Onlinewelt?

Die jungen Zuschauer werden vereinnahm­t von bekannten Bildern, elektronis­cher Musik, Smileys, die als Projektion über die Bühne huschen. Auch mancher SchockMome­nt ist dabei, bringt aber zum Nachdenken: Eine Performeri­n kämpft in lockeren Shorts mit langer Hose darunter und weitem TShirt gegen einen zweiten Perfor- mer in engen Shorts, bauchfrei, darüber ein Hauch von Oberteil. Zwei andere Performeri­nnen kichern, tanzen, und entblößen dann ihre Brüste. Im Raum steht die Frage nach Geschlecht­errollen, nach sexualisie­rten Inhalten, wie sie uns täglich im Netz begegnen. Tatsächlic­h führt das unter den Zuschauern nach der Vorstellun­g zu Diskussion­en. Die Kooperatio­n zwischen dem Tanzhaus und dem Kinderund Jugendthea­ter Kopergiete­ry aus Gent (Belgien) schafft so eine Auseinande­rsetzung mit der eigenen Identität, digitaler Popkultur und Realität.

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Laura Vanborm wird wie ein Geschenk eingewicke­lt.

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