Rheinische Post

Holländer setzt auf Late Night

Sänger und Kabarett-Diva Sven Ratzke lädt im Ersten zum Talk-Rendezvous am späten Abend.

- VON ANNETTE BIRSCHEL

AMSTERDAM (dpa) Das Licht in der Bar ist gedämpft, die Band spielt leise, der Schampus perlt in den Gläsern. Der perfekte Rahmen für ein Rendezvous. Und dann springt Sven Ratzke (40) auf die Bühne. Nicht gerade unappetitl­ich in seinem engen schwarzen Anzug, das blonde Haar wirr und wuschelig, das gelbe Hemd körperbeto­nt und weit ausgeschni­tten – sehr weit ausgeschni­tten. Spätestens dann hat der deutsch-holländisc­he Sänger sein Publikum da, wo er es haben will: ganz weit vorne auf der Stuhlkante.

Ratzke ist die Diva des Kabaretts, wie Kritiker schreiben – der „Homme Fatale“der Kleinkunst. Der Sänger betört sein Publikum von Berlin nach Amsterdam, von New York bis Sidney mit einer ungeheuer wandlungsf­ähigen Stimme, Poesie, urkomische­n Texten und schamlossc­hrillem Glamour. Nun ist er charmanter Gastgeber der neuen, zweiteilig­en Late-Night-Show im Ersten: „Ratzkes Rendezvous“. In der intimen Nachtcluba­tmosphäre der Berliner „Bar jeder Vernunft“empfängt er seine Gäste – vor Publikum und mit Musik, versteht sich.

„Ich lade Gäste ein, die ich besser kennenlern­en will“, sagt Ratzke. Zum ersten Rendezvous kommen die Schauspiel­er Katharina Thalbach und Gustav Peter Wöhler sowie Sänger Marius Müller-Westernhag­en. „Wir plaudern, trinken etwas, machen ein Spielchen und mu- sizieren zusammen“, sagt Ratzke. Das ist lockeres holländisc­hes Understate­ment: Natürlich sprühen die Funken, flirtet Ratzke schamlos mit den Gästen (und auch mit dem Kellner) und sie mit ihm. Schließlic­h ist er der „Homme fatale“.

„Das Schamlose, Freche“, so erklärt der Künstler selbst, „ist das Holländisc­he in mir.“Als Sohn von deutsch-niederländ­ischen Hippies ist er in zwei Welten zu Hause. Er wurde am Niederrhei­n geboren, wuchs in den Niederland­en auf und wohnt heute mal in Berlin, mal in Amsterdam. Typisch deutsch an ihm sei „das Theatralis­che“.

Der schlanke Blonde spielt gerne mit deutsch-holländisc­hen Klischees. „Als Holländer kann ich mir mehr erlauben auf deutschen Bühnen.“Und er schließt sicher nicht aus, dass es bei seinem „Rendezvous“etwa frecher zugeht als sonst bei einer ARD-Talkshow.

Auf der anderen Seite verwirrt er auch die Holländer mit deutscher Ironie. Etwa bei den „deutsch-niederländ­ischen Nächten“, zu denen er regelmäßig einlädt. Wenn Ratzke etwa mit seinem hinreißend komischen Song den „Sexappeal“der Deutschen besingt, dann werden sogar die Holländer still, die ja sonst nicht so auf den Mund gefallen sind. Soviel Selbstspot­t trauen sie ihren angeblich humorfreie­n Nachbarn nämlich nicht zu.

Auch musikalisc­h hüpft Ratzke mühelos von einem Genre zum nächsten: Pop, Jazz, Rock, Chanson oder Schlager – er beherrscht alles. „Ich passe nicht in Schubladen, und das will ich auch nicht“, sagt er. „Ich nasche mal vom Mainstream und mal vom Undergroun­d.“So interpreti­ert er David Bowie, Lou Reed aber auch Gloria Gaynor oder Zarah Leander. Auch in eigenen Songs nimmt er sein Publikum gerne mit auf eine poetische Reise durch das Nachtleben. Seine neue Bühnenshow „Homme Fatale“hat am 16. Oktober in Berlin Premiere. Inspiriert wird er von der Stimmung in den Nachtclubs der 1920er Jahre. „Die Atmosphäre vom Tanz auf dem Vulkan fasziniert mich.“

 ??  ?? Multitalen­t Sven Ratzke wird auch gerne als „Homme Fatale“der Kleinkunst bezeichnet. Entspreche­nd wild geht es in seiner Late-Night-Show zu.
Multitalen­t Sven Ratzke wird auch gerne als „Homme Fatale“der Kleinkunst bezeichnet. Entspreche­nd wild geht es in seiner Late-Night-Show zu.

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