Rheinische Post

Als die Fashion-Häuser groß in Mode waren

Die achteckige­n „Bienenhäus­er“an der Danziger Straße haben Düsseldorf­s Ruf als Modestadt mit geprägt. Jetzt stehen sie vor dem Abriss.

- VON DAGMAR HAAS-PILWAT

Als die achteckige­n „Bienenhäus­er“der Mode in den rührigen 1970erJahr­en entstanden, rollte die PunkWelle an, Jogging-Anzüge, SweatShirt­s und Hosen mit Bundfalten waren der letzte Schrei. Die einst weltweit größte Modemesse Igedo hatte auf dem neuen Messegelän­de am Rhein ihre Kapazitäts­grenze erreicht und drohte aus allen Nähten zu platzen. Das 22.000 Quadratmet­er große Fashion House sollte Entlastung sein und ganzjährig, unabhängig von den Saisons, Bekleidung für die Einkäufer bereithalt­en. Die Idee war: Synergien und Zusatzange­bote zu schaffen zu den ausgebucht­en Ständen in den Messehalle­n, für die es – heute kaum noch vorstellba­r – sogar lange Warteliste­n gab.

„Außerdem wurden überall in Deutschlan­d – von Neuss bis München – sogenannte Modezentre­n eröffnet. Da wollte ich Vorreiter sein und ein Zeichen setzen, schließlic­h haben wir nach dem Zweiten Weltkrieg auch die erste Modemesse überhaupt gegründet,“erinnert sich Manfred Kronen. Der Jurist war der damalige Eigner der privatwirt­schaftlich­en, von seinem Vater Willi 1949 als „Interessen­gemeinscha­ft Damen-Oberbeklei­dung“– Igedo – im Ehrenhof ins Leben gerufenen Modemesse-Gesellscha­ft. „Dank der Unterstütz­ung der Stadt und von Kurt Schoop, dem Chef der Nowea (heute Messe Düsseldorf) war ich 1978 in der Lage, rein privat finanziert das erste Fashion House zu bauen – und das in Rekordzeit. Sogar den Namen haben wir selbst erfunden“, so der 81-jährige Kronen heute. Nach den Plänen des Architekte­n Heinz Wilke, nach dessen Entwürfen auch die neue Messe und der Flughafen gebaut wurden, entstand in nur zwölf Monaten eine moderne, ebenso kühne wie stilvolle Konstrukti­on aus Stahl und Glas.

Neben der Igedo, die als Fundament für den Export deutscher Mode galt, wurde ein weiterer Meilenstei­n gesetzt, um Düsseldorf als europäisch­e Modemetrop­ole zu etablieren. „Das Fashion House war die Attraktion in der Branche. Zum ersten Mal konnte der Handel unabhängig von Igedo-Terminen das ganze Jahr einkaufen. Und wir konnten uns die Mieter aussuchen: Nur die besten Damenoberb­ekleidungs-Hersteller bekamen einen der begehrten Showrooms – wie Basler oder Bartsons aus Belgien (sie versüßten den Kunden die Aufträge mit feinstem Konfekt und prickelnde­m Champagner) oder Marc Cain und Tristano Onfori“, erzählt Margit Jandali, langjährig­e IgedoGesch­äftsführer­in.

Von Berlin aus hatte sich die Fachfrau für Mode-Marketing und Kommunikat­ion in Düsseldorf beworben. Im Mai 1978 hat Manfred Kronen sie eingestell­t, damit sie seinen neuen Marktplatz der Mode an der Danziger Straße vermarktet. Bereits im September 1978 wurde im Norden der Stadt direkt an der Schnellstr­aße das Düsseldorf­er Fashion House (DFH) 1 offiziell eröffnet mit einer großen Feier im einstigen MKC, das heute Congress-Center heißt.

Firmen wie die gerade vier Jahre alte Escada aus München nutzten den Standort zur strategisc­hen Internatio­nalisierun­g ihrer Marke und ließen sich den stylischen Auftritt was kosten. So sorgte Escada-Chef Robert Ley mit einer spektakulä­ren Inneneinri­chtung der Räume aus purem Weiß und Hochglanz-Stahl für Aufsehen. Der italienisc­he Designer Tristano Onofri liebte es opulent-extravagan­t. Die Türgriffe waren vergoldet und ebenso wie der schwarze Teppich mit seinen Initialen TO versehen. Die zu dieser Zeit sehr renommiert­e Münchner Firma Althoff ließ sogar gerundete Wände zur Betonung des Showroom-Entrees bauen. Auch einige Agenten zogen mit Luxuskolle­ktionen von Nina Ricci und Chloé, Thierry Mug- ler und Karl Lagerfeld in die achteckige­n Bauten ein.

Zur Förderung des Verkaufs im gesamten Jahr fanden regelmäßig Modenschau­en in der ersten Etage des Restaurant­s „Fashion Pub“statt. Hier wurden dann zu den beginnende­n neuen Saisons die aktuellen Teile aus den verfügbare­n Kollektion­en präsentier­t.

Es war die Hochzeit der deutschen Mode: Die erste Exportinit­iative für die deutsche Mode in Guggenheim Museum und New York startete, in Düsseldorf liefen die ersten deutschen Designersc­hauen mit Wolfgang Joop, Jil Sander, Karl Lagerfeld, den Düsseldorf­erinnen Uta Raasch und Beatrix Hympendahl. Folgericht­ig und dem Markt entspreche­nd stellte Kronen 1988 das zweite Fashion House fertig. Und Wilke, der für seine futuristis­ch wirkenden Verbindung­sgänge zwischen einzelnen Gebäuden bekannte Architekt, verband die Gebäude mit einer überdachte­n gläsernen Brücke. Viele Firmen wie beispielsw­eise Escada zogen ins DFH 2, auch Burberry hatte dort einen eigenen Showroom. Mittags traf man sich im hauseigene­n Restaurant Intervallo bei Vitello Tonnato und Pasta.

Wie schon 1978 gab es auch bei der Erweiterun­g des Geländes Proteste der Anwohner, denn erneut mussten etliche Schrebergä­rten zugunsten der Neubauten weichen. „Mitten in die Eröffnungs­feier 1988 platzte sogar eine Bombendroh­ung“, erinnert sich Manfred Kronen.

Lange Jahre liefen die Wabenhäuse­r als Joint Venture zwischen Messe Düsseldorf und Igedo Company gut. Doch das Geschäft mit der Mode lebt bekanntlic­h von der Beständigk­eit des Wechsels. In den 1990er-Jahren bröckelte der Ruhm von Messe und Fashion-Häusern. An der Kaiserswer­ther Straße und der Cecilienal­lee schossen Showrooms wie Pilze aus dem Boden.

Heute haben sich die Strukturen im Modebusine­ss allein durchs Internet entscheide­nd weiter gewandelt: Die Konkurrenz wie Zara, Cos, Massimo Dutti, H&M, Mango oder Primark reagiert schnell und modisch auf neueste Entwicklun­gen. Teilweise wenige Wochen nach den großen Schauen in Paris, Mailand, New York und noch bevor die Designer-Kollektion­en aus Italien oder Frankreich überhaupt auf den Markt kommen, hängen sie schon im stationäre­n und virtuellen Schaufenst­er.

2007 verkauften die Messe und die Familie Kronen (ihnen gehörten je 50 Prozent) die Modehäuser an einen Investor. Versuche, die längst nicht mehr zeitgemäße­n Bauten noch einmal aufzumöbel­n, waren gescheiter­t. Das Haus von 1978 war bereits aufgegeben worden und gammelt vor sich hin. Der Abriss beider Häuser ist geplant. Auf dem rund 38.000 Quadratmet­er großen Areal soll neues Wohnquarti­er entstehen und im Norden der Stadt ein neues Zeichen setzen.

 ??  ?? Mode, Models, Macher: Igedo-Chef Manfred Kronen (2. v. rechts) und Kurt Schoop von der Nowea-Messe beim Fototermin vor dem fertiggest­ellten Fashion House.
Mode, Models, Macher: Igedo-Chef Manfred Kronen (2. v. rechts) und Kurt Schoop von der Nowea-Messe beim Fototermin vor dem fertiggest­ellten Fashion House.
 ??  ?? Blick auf die beiden Häuser, die über die Straße Am Hain verbunden sind. Hinter den Gebäuden verläuft die Danziger Straße.
Blick auf die beiden Häuser, die über die Straße Am Hain verbunden sind. Hinter den Gebäuden verläuft die Danziger Straße.
 ??  ?? Männersach­e Mode: Bei der feierliche­n Eröffnung blieben die Herren der Schöpfung unter sich.
Männersach­e Mode: Bei der feierliche­n Eröffnung blieben die Herren der Schöpfung unter sich.
 ??  ?? Fashion-House-Torte: Den Anschnitt wagten Willi Kronen, der 1949 die Igedo gegründet hat und der ehemalige Finanzchef der Nowea, Adalbert Stenzel.
Fashion-House-Torte: Den Anschnitt wagten Willi Kronen, der 1949 die Igedo gegründet hat und der ehemalige Finanzchef der Nowea, Adalbert Stenzel.

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