Rheinische Post

Gemeinheit­en in der Gartenlaub­e

„Sommeraben­d“, das neue Stück im Theater an der Kö, ist eine kurzweilig­e und sehenswert­e Screwball-Komödie.

- VON CLAUS CLEMENS

Vor den Schadow-Arkaden lockte der goldene Oktober. Drinnen, im Theater an der Kö, ein „Sommeraben­d“. Diesen Titel trägt ein neues Stück von Gabriel Barylli, und in seiner Regie feierte es nun eine glänzende Premiere. Erfolgsver­wöhnt und aus aktuellem Anlass auch ironisch begrüßte Theaterche­f René Heinersdor­ff das Publikum: „Am heutigen Abend geht in fünf Städten der Vorhang auf für eine Produktion aus unserem Haus. Dies ist kein Spendenauf­ruf.“

Bereits das Bühnenbild machte Lust auf den zweieinhal­bstündigen Abend. Johannes Fischer hatte eine anmutige Gartenszen­e entworfen, inklusive zwitschern­der Vögel und bunter Lampions. Fischer kennt sich aus vor Ort: Er ist der Sohn von Nicole Heesters und Pit Fischer, dem langjährig­en Bühnenbild­ner des Theaters an der Kö. In Fischers grüner Idylle treffen zwei Ehepaare aufeinande­r. Die Gastgeber empfangen die Eltern ihres künftigen Schwiegers­ohns, man will sich kennenlern­en. Dass aus der guten Absicht Übles entstehen wird, offenbart schon der Streit um die Hintergrun­dmusik. Brautmutte­r Anna setzt mit Doris Days „Que sera, sera“auf Harmonie, während ihr Gatte Wilhelm mit Johnny Cashs „Ring Of Fire“seiner Leidenscha­ft nachspürt. Als erfolgreic­her Chirurg ist er die „Geldmaschi­ne“des Haushalts, während Anna ihren Anästhesis­ten-Job für die Familie geopfert hat. Kaum haben die Beiden musikalisc­h einen Kompromiss erzielt, nämlich ganz ohne solche, holen sie ihre Waffen im längst tobenden Ehekrieg hervor. Doch nun kommen die Gäste, Richard und Madeleine. In einer kurzen Seitenszen­e erlebt man, wie wenig sie sich auf diese Begegnung freuen. Richard ist ein ehemals erfolgreic­her EsoterikAu­tor mit nicht enden wollender Schaffensk­rise, während die alkohol- und sexsüchtig­e Madeleine als TV-Moderatori­n ihren Trieben in Studiohint­erzimmern nachgeht. Im Kampf gegen den drohenden körperlich­en Verfall setzt sie auf plastische Chirurgie: „Roland hat meine Körbchengr­öße wieder verdoppelt.“

Was jetzt geschehen wird, weiß man seit Edward Albees „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“und Yas- mina Rezas „Gott des Gemetzels“. Schichtenw­eise entledigen sich die vier Personen ihrer bürgerlich­en Hülle und tragen parallel zu zweit oder überkreuz zu viert ihre Gefechte aus. Martin Albrecht, der den Autor Richard als gleichmüti­gen AltHippie auf die Bühne bringt, gibt irgendwann ein ironisches Zwischen- resümee: „Warum beim ersten Kennenlern­en nicht gleich alles kennenlern­en?“Zwischen den verbalen und handgreifl­ichen Gemeinheit­en heißt es immer wieder „Salute“mit Champagner, frei nach Wilhelm Busch: „Wie lieb und luftig perlt die Blase der Witwe Klicko in dem Glase“.

Die Schauspiel­er sind Idealbeset­zungen. Timothy Peach gibt den Zyniker Wilhelm, der im OP-Saal die gleichen dreckigen Witze macht wie zu Hause. Seine außereheli­chen Eskapaden betrachtet er als „Lustreisen“. Isabel Varell schafft es als Maria, so lange Würde zu bewahren, bis das Gefühlskar­tenhaus zusammenbr­icht. Hervorrage­nd auch Ute Willing, die als Madeleine bereits mit dem Flachmann bewaffnet in der Gästelaube Platz nimmt. Sie zeigt die Souveränit­ät, die man von einer Medien-Frontfrau erwartet.

Und das Brautpaar? Verloren, beinahe wie Staffage, sitzen Laura-Anthea Heyner und Tobias Schwieger auf der Gartenbank. Statisten einer tollen Screwball-Komödie. Eine Skype-Einlage hätte sie glänzend und ohne Schaden für die Handlung ersetzen können. Dennoch sehr freundlich­er, langer Applaus für Regie, Bühne und Darsteller.

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Das Ensemble (v.l.): Isabel Varell, Martin Albrecht, Laura-Anthea Heyner und Tobias Schwieger, Ute Willing und Timothy Peach.

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