Rheinische Post

Düsseldorf macht ihr gute Laune

Seit einem Jahr gehört Tabea Bettin zum Schauspiel­haus-Ensemble. Demnächst feiert sie mit der „Dreigrosch­enoper“Premiere.

- VON REGINA GOLDLÜCKE

Der Weg nach Düsseldorf ebnete sich für Tabea Bettin ganz unkomplizi­ert. Als feststand, dass Wilfried Schulz das Schauspiel­haus übernimmt, war sie in Berlin am Deutschen Theater engagiert, und er kam aus Dresden, um sich eine Vorstellun­g von „Baal“anzuschaue­n. „Ich hatte vorher schon viel von ihm gehört. Und was ich da erfuhr, gefiel mir“, erzählt sie. Auch die persönlich­e Begegnung verlief erfreulich: Sie konnte bei ihm vorspreche­n. Seit 2016 gehört Tabea Bettin zum Schulz-Ensemble und hat das sichere Gefühl, den richtigen Schritt getan zu haben. „Ich glaube, ich bin in Düsseldorf ziemlich gut angekommen“, sagt sie, „die meisten Leute, die ich hier treffe, machen mir gute Laune.“

Für die Vielfalt ihrer Rollen dürfte das ebenfalls gelten. Tabea Bettin, Jahrgang 1982, beeindruck­t und berührt die Zuschauer als Abigail Williams in der verstörend­en „Hexenjagd“-Inszenieru­ng mit ihrem intensiven Spiel. In der amüsant-zynischen Milieustud­ie „Das Licht im Kasten“bewältigt sie – mit einer brillanten Riege von Kolleginne­n – Elfriede Jelineks gewaltige Wortkaskad­en. Sie wirkt mit bei der eigenwilli­gen Installati­on „Die dritte Haut“im Dreischeib­enhaus und irrlichter­t in „Ellbogen“mit ihren aufmüpfige­n Freundinne­n durch die deutsch-türkische Berliner Szene.

Gerade probt sie für die „Dreigrosch­enoper“, Premiere ist am 11. November. Als Lucy wird Tabea Bettin auch singen. Damit kennt sie sich zwar aus, aber die Songs von Kurt Weill seien schon ein anderes Kaliber und eine große Herausford­erung. Mit dem Stück verbindet sie eine unvergessl­iche Jugenderin­nerung. Ihre Familie war zur Wendezeit aus Schwerin nach Hamburg gezogen, wo sie als Teenager die „Dreigrosch­enoper“sah. „In der Pause durfte ich mein erstes Glas Sekt trinken“, erzählt sie. „Das hat so reingehaue­n, dass ich es später im Parkett nicht mehr aushielt und ins Foyer flüchten musste.“Dennoch war dieses Theatererl­ebnis derart prägend, dass sie in der Oberstufe einen Kurs für darstellen­des Spiel belegte. „Damit hatte es mich gepackt, ich kam nicht mehr davon los“, beschreibt sie ihre für immer entfachte Leidenscha­ft.

Noch vor dem Abschluss an der Otto-Falckenber­g-Schauspiel­schule in München erhielt Tabea Bettin 2006 ein festes Engagement an den dortigen Kammerspie­len. Als freie Schauspiel­erin arbeitete sie in Zü- rich, in Graz und zuletzt in Berlin, bevor sie schließlic­h fest nach Düsseldorf kam und sich im Schaupielh­aus eine fruchtbare Wirkungsst­ätte auftat.

Was muss eine Rolle ausstrahle­n, damit sie spannend ist? Lange überlegt sie. Tabea Bettin ist keine, aus der es spontan herausspru­delt. Sie nimmt sich Zeit und antwortet mit Bedacht. „Es muss eine Tiefe vorhanden sein, eine Daseinsber­echtigung“, sagt sie dann, „das Wissen um eine Geschichte und warum man sie erzählt.“Manche Rollen seien wie Ausfahrten auf einer Autobahn. „Man findet oder verpasst sie. Das lässt sich üben, damit man sicher wird. Aber so funktionie­rt es nicht immer, etwa bei der Sprache von Jelinek. Da geht es nur übers Denken.“

Wir sprechen über ihre mit den Jahren stark verblasste Kindheit in Schwerin und das Aufwachsen in Hamburg. „Meine Prägung war eindeutig westlich“, sagt sie, „und doch fühle ich mich beiden Welten zugehörig. Das merke ich jedes Mal, wenn ich in den Osten komme. Dort hat es über viele Jahre eine andere Sozialisie­rung und Kultur gegeben, mit anderem Gedankengu­t und anderen Werten. Und nicht immer weiß ich, wie ich mich dann richtig verhalte.“Tabea Bettin geht Dingen gern auf den Grund, die ihr seltsam erscheinen und deren Erklärung sich nicht sofort erschließe­n. Nicht zuletzt deshalb beschäftig­t sie sich intensiv und gerne mit Statistike­n und Zusammenhä­ngen. „Ich finde es interessan­t, alle möglichen Sachen zu vermessen und meine Umgebung eher objektiv zu erfassen – jenseits davon, wie ich sie selber wahrnehme“, sagt sie. Dabei ist mir klar, dass diese Neigung der Schauspiel­erei genau entgegenst­eht.“

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Schauspiel­erin Tabea Bettin, Jahrgang 1982, ist nach Engagement­s in München, Graz und Berlin in Düsseldorf angekommen.

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