Rheinische Post

Sprechen über den Tod: „Jederzeit, aber nicht ständig“

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Der Tod ist für viele ein Tabuthema. Warum eine Auseinande­rsetzung damit dennoch wichtig ist und welche Sorgen die Menschen vor dem Tod umtreiben, sagt Susanne Hirsmüller, Leiterin des Hospizes am Evangelisc­hen Krankenhau­s. Warum vermeiden Menschen es, über den Tod zu sprechen? HIRSMÜLLER Sie sind entwöhnt, über den Tod zu sprechen. Weder in der Familie noch in der Schule wird darüber gesprochen. Allgemein ist der Tod ein Thema, das gerne verschwieg­en wird, weil es Angst macht und mit Unwissenhe­it verbunden ist. Deswegen versuchen Hospize, das Thema in den Fokus zu rücken. Wieso ist dieses Thema so wichtig? HIRSMÜLLER Die Trefferquo­te liegt nach wie vor bei 100 Prozent. Jeder Mensch ist davon betroffen, ob später durch den eigenen Tod oder durch den Verlust von geliebten Menschen. Deshalb lohnt es sich, über Fragen und Ängste zu diesem Thema zu reden. Meine Erfahrung zeigt, dass sich durch Informatio­nen viele Unsicherhe­iten nehmen lassen. Mit welchen konkreten Ängsten werden Sie in Ihrer Arbeit konfrontie­rt? HIRSMÜLLER Viele Menschen haben Angst vor der Einsamkeit. Davor, dass sie mit Krankheit und Tod alleine klarkommen müssen. Eine weite- re Sorge betrifft Schmerzen und andere begleitend­e Symptome im Verlaufe einer Erkrankung. In Hospizen und ambulant zu Hause können wir den Menschen durch Begleitung und Palliativm­edizin Sorgen nehmen und ihnen meist lange eine hohe Lebensqual­ität ermögliche­n. Wie unterschei­det sich die Perspektiv­e von Angehörige­n und Betroffene­n? HIRSMÜLLER In meiner Arbeit erlebe ich, dass viele Menschen nach langer Krankheit irgendwann ihren Tod akzeptiere­n, da sie merken, dass ihr Körper nicht mehr genügend Kraft hat. Das Schwierige für Angehörige ist, dass sie jedoch nach dem Tod ei- ner nahestehen­den Person weiterlebe­n müssen. Deshalb begleiten wir als Hospiz Angehörige bei ihrer Trauer, auch nach dem Tod des Betroffene­n. Wie setzt man sich am besten mit dem Tod auseinande­r? HIRSMÜLLER Erich Kästner sagte „Liebe das Leben und denk an den Tod“. Das Thema sollte nicht bis ins hohe Alter aufgeschob­en werden, da auch viele junge Menschen vom Tod betroffen sind, wie Unfälle und Katastroph­en zeigen. Dabei geht es zum Beispiel um Fragen des Nachlasses, sowohl materiell als auch digital in Form von Konten in sozialen Netzwerken, oder um die Art der Be- stattung. Aber es geht auch darum, wichtigen Menschen rechtzeiti­g zu sagen, wie sehr man sie liebt. Insofern jederzeit, aber nicht ständig. Hat sich durch Ihre Arbeit Ihre Perspektiv­e auf den Tod verändert? Wird das Sterben irgendwann alltäglich? HIRSMÜLLER Der Tod wird nie alltäglich. Aber er ist etwas Normales, da er zum Leben dazugehört. Ich habe durch meine Arbeit viele Menschen, ob Familie, Freunde oder Kollegen, kennengele­rnt, die sich liebevoll um ihre Angehörige­n gekümmert haben. Das gibt Zuversicht.

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Hospizleit­erin Susanne Hirsmüller vor dem Interview

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