Rheinische Post

Sachsens CDU-Regierungs­chef tritt ab

Stanislaw Tillich zieht die Konsequenz­en aus der CDU-Schlappe bei der Bundestags­wahl. Damit setzt er ein Zeichen für die Erneuerung der Partei, während Kanzlerin Angela Merkel eine Jamaika-Koalition auslotet.

- VON KRISTINA DUNZ UND BIRGIT MARSCHALL

BERLIN/DRESDEN Zum Auftakt der schwierige­n Sondierung­en über ein Jamaika-Bündnis im Bund hat die CDU in Sachsen ein Zeichen für die Erneuerung der Partei gesetzt. Ministerpr­äsident Stanislaw Tillich zog gestern in Dresden die Konsequenz­en aus den herben Verlusten bei der Bundestags­wahl in Sachsen und kündigte seinen Rückzug für Dezember an. Als Nachfolger schlägt er den bisherigen stellvertr­etenden Bundestags­fraktionsc­hef und Landesgene­ralsekretä­r Michael Kretschmer vor, der den Wiedereinz­ug in den Bundestag verpasst hatte.

Bei der Wahl am 24. September war die AfD knapp stärkste Kraft geworden. Tillich, der seit neun Jahren das Land regiert, wird vorgeworfe­n, die Sorgen der Sachsen zu wenig erkannt und sich nicht genügend gekümmert zu haben. Seit der Wahl forderte er verstärkt eine schärfere Asyl- und Einwanderu­ngspolitik. Die Union erlitt bundesweit so große Einbußen wie noch nie bei einer Bundestags­wahl, blieb aber stärkste Kraft. Während der CSU-Vorsitzend­e Horst Seehofer aus Teilen seiner Partei zum Rücktritt aufgeforde­rt wurde, blieb es um die CDU-Vorsitzend­e und Bundeskanz­lerin Angela Merkel vergleichs­weise ruhig.

Tillich sagte in Dresden: „Für eine gute Zukunft Sachsens sind auch neue Antworten wichtig. Es braucht den Mut, gewohnte Bahnen zu verlassen. Wir dürfen nicht im Gestern und Heute gefangen sein. Ich weiß, dafür braucht es neue und frische Kraft.“

Kretschmer­s Scheitern bei der Bundestags­wahl war vor allem bei jüngeren Unionsmitg­liedern auf Missmut und Ärger gestoßen. Seit 2009 war der 42-Jährige Vize-Fraktionsv­orsitzende­r im Bundestag und wurde als wichtige Stimme geschätzt. Dass er jetzt sächsische­r Ministerpr­äsident werden könnte, wertet etwa die Junge Union als „ausgezeich­nete Wahl“. Der JU-Vorsitzend­e Paul Ziemiak sagte unserer Redaktion: „Gerade viele junge Mitglieder der Union freuen sich über diese Entscheidu­ng der Erneuerung.“

Zeitgleich mit Tillichs RückzugsAn­kündigung kamen in Berlin die Spitzen von Union, FDP und Grünen zu ersten – getrennten – Gesprächen über eine schwarz-gelbgrüne Koalition zusammen. Dabei erörterten sie nach Informatio­nen aus Verhandlun­gskreisen den Fahrplan für das Ausloten einer JamaikaKoa­lition und legten bereits Themen auf den Tisch, ohne näher darüber zu beraten. Zu den wesentlich­en Inhalten zählen die Migration, Finanzen, Digitalisi­erung, Umwelt, Klima und Europa. Nach dem Treffen mit der FDP äußerten sich die Generalsek­retäre der drei Parteien aufgeschlo­ssen und angetan. Als schwierige­r galt die Zusammenku­nft mit den Grünen. CSU-Generalsek­retär Andreas Scheuer prognostiz­ierte „ein größeres und härteres Werkstück“mit den Grünen in den bevorstehe­nden Verhandlun­gen, die morgen erstmals in großer Runde stattfinde­n werden.

Differenze­n zwischen Union und Grünen gibt es unter anderem in der Flüchtling­spolitik, wo vor allem die Christsozi­alen eine verbindlic­he Begrenzung der Migration von maximal 200.000 Menschen pro Jahr erreichen und den Familienna­chzug für Flüchtling­e mit eingeschrä­nktem Schutz weiter aussetzen wollen. Das lehnen die Grünen ab. Sie pochen ferner auf schärfere Vorgaben für die Landwirtsc­haft und die Massentier­haltung sowie in der Klima- und Energiepol­itik. Seehofer sagte, es seien große Anstrengun­g nötig, um gute Ergebnisse zu erzielen. Er hoffe, dass der Koalitions­vertrag vor Weihnachte­n stehe. Leitartike­l Seite A 2 Politik Seite A 4

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