Der Mann, der Marty McFly das Auto gab
Heute vor 35 Jahren wurde bei einem Kokain-Deal John DeLorean verhaftet, der mit einem Start-up das Kult-Auto aus „Zurück in die Zukunft“produzierte.
LOS ANGELES Ein Koffer mit 25 Kilo Kokain liegt auf dem Tisch, John DeLorean nennt es lachend „besser als Gold“. Mit Schampus stößt der Autoboss auf den Millionen-Deal an, als Ermittler das Zimmer 501 des Sheraton Plaza Hotel in Los Angeles betreten. „Hi John, ich bin Jerry West vom FBI“, sagt einer trocken, „und Sie sind festgenommen.“
Bis zu diesem 19. Oktober 1982 galt DeLorean (57) als Genie wie später Steve Jobs oder Elon Musk, Charmeur und Ingenieur, umschwärmt von Journalisten, Investoren, jungen Frauen sowieso, aber all das ist in diesem Moment passé. Sein Traum ist ausgeträumt.
DeLoreans Traum, das war die Produktion des schönsten, sichersten, umweltfreundlichsten und dabei auch noch günstigsten Sportwagens, den die Welt je gesehen hat. Und zwar in Eigenregie, mit einem Start-up. Das Auto wird Wirklichkeit – ein zeitlos schöner Keil mit Flügeltüren und einer Karosserie aus gebürstetem, unlackiertem Edelstahl, der später als Zeitmaschine in „Zurück in die Zukunft“in die Popkultur-Geschichte eingeht. Hollywoodreif ist aber auch die echte Geschichte von Wagen und Erfinder.
John Zachary DeLorean ist ein Getriebener. Geboren wird er am 6. Januar 1925 in Detroit als einer von vier Söhnen eines alkoholkranken, gewalttätigen Vaters. Über schlechte öffentliche Schulen arbeitet er sich hoch zu General Motors, wo er nach beispiellosem Aufstieg Vizepräsident wird, der jüngste aller Zeiten.
Dabei kultiviert er sein Image als Junger Wilder, heiratet eine 20-jährige kalifornische Strandschönheit, verschenkt Dutzende Autos an Frauen und Filmstars. Lange verzeiht man ihm alles, denn seine Verkaufserfolge geben ihm Recht. 1973 provoziert er dann doch seinen Rauswurf, indem er geheime Interna an Journalisten durchsteckt.
Bald aber sammelt der charismatische Mann, der sich als aufrechter Rebell stilisiert, Kapital für das natürlich nach ihm selbst benannte Startup „DeLorean Motor Company“ein. 120 Millionen Dollar steuert allein die Regierung von Nordirland bei, damit der Popstar-ähnliche Promi seine Fabrik in Dunmurry bei Belfast errichtet, wo der IRA-Terror wütet und teils jeder Zweite arbeitslos ist. Die 2500 ungelernten Männer tun ihr Bestes. Doch jedes der Autos, von dessen ambitionierten Grundideen nur noch das spektakuläre Äußere übriggeblieben ist, hat diverse Mängel: Der 130-PS-Motor ist zu schwach, die Radioantenne mies, Dach und Fenster sind undicht, die Fußmatte färbt ab, klemmende Flügeltüren sperren Fahrer in ihren eigenen Autos ein. Drei Rückrufaktionen werden gestartet, tausende Vorbestellungen storniert. Und John DeLorean? War schon in der Entwicklung kaum aktiv, taucht nun endgültig ab und versucht, die Zahlen des Unternehmens zu frisieren für einen Börsengang, der ihn zum Multimillionär macht. Systematisch lügt und betrügt der als Menschenfischer verklärte Manipulator.
Eine Wirtschaftskrise kommt hinzu, und so schließt die Fabrik schon im Mai 1982, ein Jahr nach Produktionsstart, keine 9000 Autos sind produziert. Wenig später entscheidet sich DeLorean gegen einen rettenden Kredit und für den poten- ziell lukrativeren Drogendeal. Vor Gericht wird er spektakulär freigesprochen, aber als Unternehmer ist er erledigt. Am 19. März 2005 stirbt er 80-jährig, einsam und verbittert, zugrundegegangen an seiner eigenen Gier und Hybris. Er hinterlässt eine Witwe und drei Kinder, drei ExFrauen sowie hunderte wütende ExAngestellte und Geschäftspartner.
Der DMC-12 indes, das erste und einzige Modell seiner Firma, meist schlicht „DeLorean“genannt, fasziniert bis heute. Rund 500 Exemplare gibt es laut Adrian Roth vom DeLorean-Club allein hierzulande, „und egal wo man damit auftaucht, man ist immer umringt von Menschen“. Der Augsburger Wolfgang Hank umrundet darin sogar die Welt, 42.810 Kilometer in 270 Tagen (Fotos bei RP-Online.de). Das Auto also lebt; die Firma ist tot, weil sich John DeLorean strikt weigerte, die von ihm persönlich gehaltenen Vertriebsrechte an dem stark verbesserten und wieder populären Auto an Insolvenzverwalter abzutreten.
So ist das Ende denkbar unwürdig: Maschinen und Karosserieteile werden zum Schrottwert verkauft, eingeschmolzen, teils als Ballast für eine Fischfarm im Meer versenkt. Verfilmt wurde die ganze Geschichte noch nicht. Zu unrealistisch.