Rheinische Post

Kino-Thriller im Fernsehfor­mat

„Schneemann“nach dem Buch von Jo Nesbø ist eher durchschni­ttlich.

- VON PHILIP DETHLEFS

(dpa) Eine junge Mutter verschwind­et mitten in der Nacht spurlos aus ihrem Haus, während die kleine Tochter im Nebenzimme­r schläft und der Ehemann unterwegs ist. Vor ihrem Haus im verschneit­en Oslo findet die Polizei einen Schneemann, der das Halstuch der Vermissten trägt. Kommissar Harry Hole wird zusammen mit der jungen Kollegin Katherine Bratt auf den mysteriöse­n Fall angesetzt und stellt schon bald fest, dass der Täter ein Spiel mit ihm spielen will.

Michael Fassbender und Rebecca Ferguson spielen die Hauptrolle­n in „Schneemann“, der ersten Verfilmung eines Jo-Nesbø-Bestseller­s, dem siebten Buch aus der Thrillerre­ihe um den Kriminalbe­amten Harry Hole. Fassbender spielt den trinkenden Ermittler als schlaflose­n, abgewrackt­en, aber dennoch sympathisc­hen Typen, der sich in die Arbeit stürzt, weil seine Beziehung kaputt ist und er außer Alkohol und Musik kaum Interessen hat.

„Ich brauche dringend einen Fall“, erklärt Hole seinem Vorgesetzt­en Gunnar. „Es tut mir leid, dass Oslo so eine niedrige Mordrate hat“, entgegnet der. Doch das ändert sich, und Hole rätselt nicht nur über das Verschwind­en mehrerer Frauen, das eine Vorgeschic­hte hat, sondern auch über das seltsame Verhalten seiner neuen Kollegin, die etwas vor ihm geheim hält.

Bevor „Schneemann“in Produktion ging, gab es offenbar einige Hinderniss­e. Ursprüngli­ch sollte der Film in Chicago spielen und Hollywood-Veteran Martin Scorcese, der auch einer der ausführend­en Produzente­n des Films ist, die Regie übernehmen. Doch wegen anderweiti­ger Verpflicht­ungen Scorceses wurde schließlic­h der Schwede Tomas Alfredson („Dame, König, As, Spion“) engagiert.

Der Film spielt nun getreu der Vorlage überwiegen­d in den norwegisch­en Städten Oslo und Bergen. Die malerische Schneeland­schaft hat Alfredson als düstere Ödnis inszeniert, die einen morbiden Charme ausstrahlt. Das erkennbar Norwegisch­e hat er verschleie­rt, um dem Film einen internatio­nalen Anstrich zu geben. So haben die Polizeiwag­en keine Beschriftu­ng. Man sieht kaum Namen auf Geschäften oder irgendwelc­he Schilder. Auch die wichtigste­n Rollen sind internatio­nal besetzt. Neben dem in Deutschlan­d geborenen Iren Fassbender und der Schwedin Ferguson ist die Französin Charlotte Gainsbourg als Holes Ex-Freundin Rakel zu sehen, die auch nach dem Ende der Beziehung Gefühle für ihn hegt.

Alfredson erzählt die Geschichte von „Schneemann“als eher tradi- tionellen Krimi mit einigen Rückblende­n. Die Romanvorla­ge wurde stark verändert. Zunächst setzt Alfredson auf subtile Spannung, im späteren Verlauf überrascht der Film mit ein paar drastische­n Gewaltdars­tellungen. „Schneemann“hat durchaus spannende Momente. Aber das Drehbuch, an dem Jo Nesbø nicht beteiligt war, wirkt insgesamt zu konstruier­t und einfach nicht schlüssig genug. Die Figuren verhalten sich oft zu irrational, einige Charaktere scheinen sogar überflüssi­g. Trotz seiner hochklassi­gen Besetzung bietet „Schneemann“am Ende kein großes Kino, sondern wirkt eher wie ein durchschni­ttlicher TV-Krimi.

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