Ermittler stochern im Nebel
Der neue „Usedom-Krimi“ist ein vielschichtiges Drama und spannend bis zum Schluss.
BERLIN (dpa) Kommissarin Julia Thiel weiß schon lange, dass Usedom nicht so idyllisch ist, wie viele Touristen glauben. Diesmal muss sie sich um einen Fall kümmern, der weit in die Vergangenheit zurückreicht und gleichzeitig viel mit ihrer persönlichen Gegenwart zu tun hat. Die Ermittlungen, bei denen sich Thiel (Lisa Maria Potthoff) mal wieder von ihrer Mutter Karin Lossow (Katrin Sass) helfen lassen muss, sind so spannend wie die Auflösung überraschend.
Der Titel „Nebelwand“ist mit Absicht vieldeutig: Eine Nebelwand war angeblich für einen Unfall auf der Ostsee verantwortlich, bei dem zehn Jahre zuvor ein Ehepaar in einer Jolle getötet wurde, nur ihr Sohn Jakob hat damals überlebt. Und der scheint nun nach Usedom zurückgekommen zu sein und nennt sich inzwischen Jäckie. Vielleicht will er den Tod seiner Eltern rächen. Denn die Hintergründe des Unglücks damals sind vertuscht worden, die Wahrheit ist wie hinter einer Nebelwand versteckt.
Jäckie aber weiß Bescheid und hat unter den Lügen lange genug gelitten. Kaum ist er wieder auf der Insel, brennt im Sportboothafen eine Segeljacht aus, und eine Obdachlose kommt dabei fast ums Leben. Dass es Brandstiftung war, steht schnell fes – jemand hatte eine Weinflasche mit Brandbeschleuniger aufs Deck geschleudert.
Starke Figuren hat der „UsedomKrimi“mit der ehemaligen Staatsanwältin Karin Lossow und ihrer Tochter, der selbstbewussten Polizistin Julia Thiel, sowieso. Und mit Katrin Sass und Lisa Maria Potthoff sind die Rollen perfekt besetzt durch zwei Frauen, die Männer neben sich blass aussehen lassen, Kollegen und Gatten eingeschlossen.
In „Nebelwand“(Regie: Andreas Herzog), dem inzwischen vierten „Usedom-Krimi“, bekommen die beiden Schauspielerinnen allerdings Konkurrenz durch den Nachwuchs. Die Drehbuchautoren Scarlett Kleint, Michael Vershinin und Alfred Roesler-Kleint haben gleich drei Jugendliche ins Zentrum der Handlung gestellt. Und so ist „Nebelwand“nicht einfach ein Krimi, bei dem am Ende die Polizei den bösen Täter dingfest macht, sondern ein vielschichtiges Drama und großes Kino. Viele Anspielungen und Seitenhiebe inklusive – auf Jugend- hilfeprojekte etwa, bei dem es den Geschäftsführern mehr ums Geld als um die Jugendlichen geht. Am Schluss gibt es zwar ein Geständnis, das plausibel klingt. Aber eine Weinflasche in der eigenen Wohnung lässt Kommissarin Thiel dann doch wieder zweifeln, ob die Wahrheit hinter der Nebelwand aus Lügen tatsächlich schon sichtbar ist.