Erste Einigkeit zwischen FDP und Grünen – gegen die Union
Nach dem ersten Treffen steht für die kleineren Jamaika-Parteien fest: Sie wollen nicht den „ausgetretenen Pfaden“von CDU und CSU folgen.
BERLIN Die Fotografen hatten gestern Probleme, am Rande der dritten Jamaika-Sondierungen FDPChef Christian Lindner und Grünen-Chef Cem Özdemir auf ein Bild zu bekommen. Eine Nebensächlichkeit, die symbolisch dafür steht, wie weit der Weg zu einem Regierungsbündnis von CDU, CSU, FDP und Grünen noch ist. Aber die offiziellen Gespräche laufen nun. Nach Union mit FDP und Union mit Grünen kamen nun auch FDP und Grüne zu einem ersten Sondierungsgespräch zusammen. Anschließend wirkten sie angenehm überrascht.
Die Sondierung mit den Grünen sei fachlich „sehr intensiv“gewesen, und zwar „viel tiefer als mit der Union“am Vortag, sagte FDP-Unterhändler Marco Buschmann. Die Atmosphäre sei „konzentriert und respektvoll“gewesen. Also doch nicht nur vorsichtiges Abtasten und Termin-Organisation mit höflichem Zuhören. Sondern doch schon Erkunden, wo man schnell zusammenkommt und wo man noch weit auseinanderliegt.
Özdemir hatte das bereits beim Gang in das Haus der Parlamentarischen Gesellschaft gegenüber dem Reichstagsgebäude genau so erwartet: „Es geht gleich zur Sache“, sagte er. Bei freiheitlichen Bürgerrechten und Digitalisierung kämen beide Parteien schnell zusammen, bei der Energie- und der Europapolitik „wird es schwieriger“, sagte Özdemir voraus. Die Grünen stehen den Reformvorschlägen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron zur Vertiefung der Eurozone aufgeschlossen gegenüber, die FDP lehnt sie weitgehend ab. Allerdings sind beide Parteien gegen Macrons neues Eurozonenbudget. Die Grünen wollen lieber den EU-Haushalt aufstocken – eine Forderung, die die FDP wohl mitmachen wird.
Auf die Frage, ob sie erneut einen Handkuss von FDP-Vize Wolfgang Kubicki zur Begrüßung erwarte, sagte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt: „Wenn es jemand braucht, ich brauche es nicht.“Kubicki hatte Göring-Eckardt bereits am Tag nach der Bundestagswahl per Handkuss begrüßt und damit bei vielen Grünen Spott provoziert.
Aufhorchen ließ Grünen-Geschäftsführer Michael Kellner, als er nicht nur von Differenzen zwischen FDP und Grünen sprach, sondern auch die Einigkeit hervorhob und darunter die gemeinsame Überzeugung verbuchte, „nicht einfach den ausgetretenen Pfaden der Union folgen“zu wollen. Auch Özdemirs Co-Parteichefin Simone Peter, eine Parteilinke, die der FDP stets eher skeptisch begegnete, sagte nach dem 200 Minuten langen Gespräch mit der FDP: „Beide kleineren Parteien haben das gemeinsame Interesse, dass im Falle einer Regierung nicht einfach dem Pfad der Union gefolgt wird, aber bis dahin ist es noch ein steiniger Weg.“
Ein mögliches gelb-grünes Bündnis innerhalb des Jamaika-Bündnisses brachte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer auf den Plan. „Bei vielen Vorschlägen von FDP und Grünen scheint es sich mehr um Vorschläge von Pfadfindern zu handeln, die erst noch einen Kompass brauchen“, sagte Scheuer unserer Redaktion. Dagegen wisse die Union um Ziele und Richtung fürs Land und die Wege, ob neu oder bewährt.
Zeigt das heutige Sondierungstreffen aller vier Parteien den Weg zu Koalitionsverhandlungen? Die Wahrscheinlichkeit schätzt FDPChef Christian Lindner auf 50 Prozent. Angesichts der widersprüchlichen programmatischen Festlegungen müssten konkrete Festlegungen gefunden werden. Die CSU verschob ihren Parteitag schon mal um einen Monat auf Mitte Dezember.