Spätsommerblues am Corneliusplatz
Kennen Sie das? Etwas ist total schön, und doch durchdringt Sie unmerklich ein Hauch von Melancholie. Der Grund ist eine Vorahnung auf die Endlichkeit. Nichts währt ewig, und so bleibt selbst ein Augenblick vollständigen Genusses am Ende eben doch nur ein Augenblick. Gestern Nachmittag am frisch aufgehübschten Corneliusplatz gab es solch einen Moment. Auf der Bank saß eine Mutter mit schicker Sonnenbrille auf der Nase. Sie krempelte die Ärmel ihres weißen T-Shirts noch ein Stück weiter nach oben und schleckte an einem Zitroneneis. „Einfach nur genießen“, sagt sie halb zu sich selbst, halb zu ihrem Sitznachbarn. Ausgerechnet der hat kein besonders ausgeprägtes Gen für die sensible Form der Konversation. „Morgen ist alles vorbei, dann geht es bergab“, sagt er. Wusch! Da ist er, der Satz, der Stimmungen in Sekundenbruchteilen in ihr Gegenteil verkehrt. Tatsächlich senkt sich der Blick der Speiseeis-Liebhaberin nach unten. Ihre Mimik wechselt ins Nachdenkliche. Da ist sie, die Melancholie, die eintritt, weil man ahnt, dass das gerade auch das Schöne vergeht. Just in diesem Moment kommt ein Junge auf dem Fahrrad auf sie zu, offenbar ihr Sohn. „Zieh doch um Himmels willen deine Jacke aus, heute kannst du das noch“, sagt die Enddreißigerin. Ihre Betonung liegt auf dem Heute. Die Botschaft des Hemdsärmeligen von eben ist angekommen, denn jetzt ist er das: der Spätsommerblues. Alle spüren: So warm und schön wird es in diesem Jahr nicht mehr. jj