Massenentlassung bei Air Berlin
Rund 4000 Kündigungen werden versandt, wenn es keine Transferfirma gibt.
DÜSSELDORF Schon in wenigen Tagen könnte die insolvente Air Berlin rund 4000 Mitarbeitern die Kündigung ausstellen, sofern es nicht doch eine Transfergesellschaft einspringt. Dies erklärte der Generalbevollmächtigte Frank Kebekus: „Ich rechne damit, dass wir Ende Oktober/Anfang November in allen Bereichen Kündigungen ausstellen, sofern wir keine Transfergesellschaft gründen können“, sagte der Insolvenzverwalter unserer Redaktion. Ausgenommen von den 4000 Kündigungen seien 1700 Mitarbeiter, die beim Ferienflieger Niki und dem Regionalflieger Walter sind, weil diese Firmen ganz von Lufthansa übernommen werden.
Kebekus kritisierte scharf die Diskussion über das abgesicherte Gehalt von Vorstandschef Thomas Winkelmann, den man zur Rettung des Konzerns Ende 2016 angeheuert hatte. Die Debatte sei „an Heuchelei nicht zu überbieten“, so Kebekus Er warnte davor, dass es schwerer werde, Manager für angeschlagene Firmen zu finden: „Diese scheinheilige Diskussion könnte zu der fatalen Konsequenz führen, dass fähige Manager bei solchen Sanierungsfäl- len nicht mehr einsteigen. Das Opfer wären die Belegschaften solcher Unternehmen. Käme jemand auf die Idee zu sagen, dass ein Chirurg sein Gehalt nicht bekommen kann, weil eine Operation nicht gelang?“
Eher gute Nachrichten hat Kebekus für die 900 Mitarbeiter in der Technik. „Ich bin sehr optimistisch, für einen signifikanten Teil der Wartungs-Mitarbeiter eine Lösung finden zu können. Wir wollen auch einen Vertrag vermitteln, dass die Techniker in Düsseldorf die 20 Bombardier Turbopropmaschinen warten werden, die Eurowings übernehmen wird“, sagte Kebekus. Allerdings hänge die Zukunft der Technik davon ab, weitere Jetkäufer als nur Lufthansa zu finden.
„Wir wollen, dass die Düsseldorfer Techniker die Turboprops warten“Frank Kebekus, Insolvenzverwalter Air Berlin
DÜSSELDORF Am Graf-Adolf-Platz liegt die Kanzlei von Frank Kebekus. Auf einem Plakat im Sitzungssaal ist ein rund zwei Meter hohes Organigramm von Air Berlin aufgehängt.
Herr Kebekus, am Montag überflog ein Air-Berlin-Pilot Düsseldorfs Flughafen in einer waghalsigen Linkskurve und startete durch. Was sagen Sie?
KEBEKUS Mir fehlt da jedes Verständnis. Unter den mehr als 200 Passagieren waren bestimmt Menschen mit Flugangst. Viele Anwohner wurden erschreckt. Das hätte man sich sparen sollen. Die Lage bei Air Berlin ist schon ernst genug.
Kommt die Transfergesellschaft?
KEBEKUS Wir brauchen Anfang nächster Woche eine Entscheidung. Air Berlin kann die Transfergesellschaft nicht alleine finanzieren, also brauchen wir Hilfe von den betroffenen Ländern und vielleicht auch vom Bund. Es geht darum, dass die öffentliche Hand den Beitrag bezahlt, den wir nicht leisten können. Ich würde es extrem begrüßen, wenn wir eine solche Transferfirma anbieten können. Da könnten wir bis zu 4000 Personen ansprechen.
Wer da mitmacht, muss darauf verzichten, sich bei Lufthansa oder anderen Käufern einzuklagen?
KEBEKUS: Wer unterschreibt, verzichtet auf eine Kündigungsschutz- klage, da er einen Aufhebungsvertrag unterschreibt. Davon abgesehen gehe ich davon aus, dass Arbeitsgerichte das alles überprüfen werden. Aber ich halte die Aussichten auf Erfolg solcher Klagen vor dem Arbeitsgericht für gering.
Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann steht in der Kritik, weil sein Gehalt in Höhe von 4,5 Millionen Euro bis 2021 durch eine Bürgschaft gesichert ist.
KEBEKUS Diese Diskussion ist an Heuchelei nicht zu überbieten und in höchstem Maße unseriös. Das Geld, das Herr Winkelmann erhält, belastet die Insolvenzmasse nicht, es fehlt keinem Kunden und keinem Arbeitnehmer, weil es alleine vom früheren Hauptgesellschafter Etihad über eine Bankbürgschaft finanziert wurde. Ich kann nur sagen: Die Mitarbeit von Herrn Winkelmann, gerade nach dem Stellen des Insolvenzantrags, war extrem hilfreich und wichtig. Ohne ihn hätten wir nicht erreicht, dass wir nun Tausende Jobs sichern.
Es kommt immer wieder zu Diskussionen über Managergehälter.
KEBEKUS Wenn Manager sich Boni zusagen lassen, die keine Leistung bringen, dann muss man das kritisieren. Aber Herr Winkelmann wurde geholt, um zu versuchen, ein extrem angeschlagenes Unternehmen zu sanieren. Dann kann man ihm nicht nachträglich den Vertrag ändern. Er kämpft um jeden Job.
3000 Leute vom fliegenden Personal sollen inklusive 81 Flugzeugen bei Eurowings landen. Wird Easyjet auch noch rund 25 Maschinen und rund 1000 Mitarbeiter übernehmen?
KEBEKUS Wir sind weiter in Verhandlungen mit Easyjet und hoffen bis Dienstag auf einen Abschluss. Seit heute prüfen wir aber auch Alternativen. Am Dienstag tagen die Gläubigerauschüsse, um die nächsten Schritte abzuwägen.
Viele Piloten wollen bei Eurowings wegen teilweise um 40 Prozent niedrigerer Gehälter nicht unterschreiben.
KEBEKUS Ich höre, dass das Interesse an Verträgen bei Eurowings schnell steigt. In Teilen der Mannschaft kommt erst jetzt richtig an, dass wir in der Insolvenz sind. Die Zeit des Immer-Weiter-So ist vorbei. Ich habe mir auch die Bedingungen angesehen: Ja, für manche Kapitäne aus früheren LTU-Zeiten sind die Einschnitte schon groß – aber bestimmte Gehälter sind eben nicht mehr marktgerecht. Aber insgesamt sind das faire Angebote.
Werden die Inhaber von Anleihen einen Teil des Geldes zurückerhalten?
KEBEKUS Es gibt so viele Forderungen gegen das Unternehmen, die vor den Anleihen bedient werden müs- sen, dass die Anleihe-Inhaber vermutlich nichts erwarten können. Normale Kreditoren haben Ansprüche, die Arbeitnehmer haben drei Monate Kündigungsfrist, wir müssen hohe laufende Kosten decken.
Muss der Hauptaktionär Etihad dafür zahlen, dass er im August zugesagte Gelder verweigerte?
KEBEKUS Wir sind mit Etihad in Verhandlungen und hoffen zeitnah zu einem Generalvergleich zu kommen. Wir hoffen auf einen Betrag in zweistelliger Millionenhöhe. Was halten Sie von der Theorie, dass die weitgehende Übernahme von Air Berlin durch Lufthansa eine Verschwörung war?
KEBEKUS Es gab keine Verschwörung. Weder Bund noch Land haben Einfluss auf den Bieterprozess genommen, obwohl ich natürlich die öffentliche Diskussion registriert habe. Fakt ist: Wenn wir ein attraktiveres Angebot als das von Lufthansa bekommen hätten, dann hätten wir es sicher angenommen. Dies war auch die Haltung von Thomas Winkelmann während der Gespräche. Er steht extrem loyal zu Air Berlin und will das Beste für die Belegschaft.
Wird der Bund seine 150 Millionen Euro zurückerhalten?
KEBEKUS Wir werden den Kredit wohl mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit inklusive Verzinsung von rund zehn Prozent zurückzahlen. Allein Zahlungen von Lufthansa würden nach derzeitiger Kenntnis reichen.
In Island wurde ein Jet festgehalten, weil eine Gebühr nicht gezahlt worden war.
KEBEKUS Wir zahlen alle neu auflaufenden Rechnungen. Aber Forderungen, die aus der Zeit vor dem 15. August stammen, sind Teil der Insolvenzmasse und müssen angemeldet werden. Darum war es widerrechtlich, das Flugzeug festzuhalten, zumal der Flughafen diese Vereinbarung bisher mit uns akzeptiert hatte.