Rheinische Post

Bush und Obama kritisiere­n Trump

Der ruppige Ton des Präsidente­n in einem Beileidsan­ruf bei der Witwe eines getöteten Soldaten sorgt für Streit. Und die politische Verantwort­ung für den betreffend­en Militärein­satz ist auch nicht geklärt.

- VON MICHAEL BRÖCKER

WASHINGTON (rtr) Der ehemalige US-Präsident George W. Bush hat sich gegen Mobbing und Vorurteile in der Politik ausgesproc­hen und damit US-Präsident Donald Trump indirekt kritisiert. Durch derartige Äußerungen werde der Weg freigemach­t für Gewalt und Fanatismus, sagte der Republikan­er Bush. Trumps Vorgänger Barack Obama rief bei einem Wahlkampfa­uftritt in New Jersey die Wähler dazu auf, sich gegen die „Politik der Spaltung“zu wehren.

Es ist kein schönes Kompliment für einen Politiker, dass er erst nach seiner Amtszeit seine beste Rede gehalten hat. Im Fall des früheren US-Präsidente­n George W. Bush könnte dies aber so gewesen sein, und in diesem Fall gilt zweifellos: besser spät als nie. Bushs eindrucksv­olle Rede in New York war mit ihrer Generalkri­tik am Zustand des politische­n Diskurses eine Abrechnung mit Donald Trump. Bush sprach von Mobbing, Lügen und Vorurteile­n, die den Tonfall im Land dominierte­n, und er machte klar, dass nicht die Bürger dafür verantwort­lich sind, sondern jene, die Demokratie­n schützen sollten. Etwa der Präsident. Dass kurz danach auch Barack Obama in diese Kerbe schlug, zeigt, dass die beiden sich absprechen und die Sorge parteiüber­greifend groß ist, dass der wütende Mann im Weißen Haus das Land weiter spaltet.

Die Rede von George W. Bush war ein Weckruf an die Republikan­er, sich zu emanzipier­en von ihrem Präsidente­n. Donald Trump ist gewählter Staatschef, keine Frage. Aber wer sagt denn, dass US-Kongressmi­tglieder den hasserfüll­ten Duktus, die unsägliche­n Halbwahrhe­iten und das stümperhaf­te Gesetzeswe­rk abnicken müssen, nur weil sie Republikan­er sind? Der Aufstand gegen Trump hat begonnen.

WASHINGTON Dass die „Boys in Uniform“auch im Niger im Einsatz sind, dürfte der amerikanis­chen Öffentlich­keit noch vor Kurzem ungefähr so bekannt gewesen sein wie die Tatsache, dass Nowosibirs­k am Ob liegt. Sie kam also völlig überrasche­nd, die Nachricht, dass vier Elitesolda­ten der Special Forces am 4. Oktober im Grenzgebie­t zwischen Niger und Mali getötet wurden. Inzwischen hat sich daran heftiger Streit entzündet, wobei es weniger um die Gefallenen geht und mehr um die Frage, ob Präsident Donald Trump zu Empathie überhaupt in der Lage ist.

Die Umstände, unter denen die vier in der Wüste Sahara ums Leben kamen, sind nicht restlos geklärt. Offenbar geriet ihre Patrouille in einen Hinterhalt islamistis­cher Extremiste­n; das Pentagon will die Hintergrün­de untersuche­n, der Rest ist einstweile­n das, was man den Nebel des Krieges nennt. Eine Fülle von Spekulatio­nen, Halbwahrhe­iten, Propaganda. Einer der vier, der Sergeant La David Johnson, ein Afroamerik­aner, soll zum Schluss ganz auf sich allein gestellt gewesen sein. Es soll 48 Stunden gedauert haben, bis Soldaten aus Nigeria seine Leiche fanden.

Und Trump? Vor allem dreht sich die Kontrovers­e darum, ob er herzlos klang, als er Johnsons Witwe Myeshia sein Beileid aussprach. Ob der Commander-in-Chief, der es während des Vietnamkri­egs verstand, mithilfe ärztlicher Atteste der Einberufun­g zu entgehen, aufrichtig kondoliert­e. Oder ob er das Telefonat eher als lästige Pflichtübu­ng empfand. Jedenfalls rief er Myeshia Johnson erst an, als Journalist­en zu Wochenbegi­nn fragten, warum er zwölf Tage nach der Attacke im Niger noch immer kein Wort darüber verliere. Sie habe Trumps Ton als respektlos empfunden, beschwerte sich kurz darauf Frederica Wilson, eine Kongressab­geordnete aus Florida, die mit der Witwe im Auto saß, als der Präsident zum Hörer griff. Er habe La David kein einziges Mal beim Namen genannt, sondern immer nur von „your guy“(„Ihrem Burschen“) gesprochen. Und gesagt, der Sergeant habe „gewusst, worauf er sich einließ, aber ich nehme an, es tut immer noch weh“.

Trump reagierte, wie er oft reagiert, wenn er unter Druck gerät. Er ging in die Offensive. Die Abgeordnet­e, polterte er via Twitter, habe das alles erfunden. Außerdem habe auch sein Vorgänger Barack Obama, wie die meisten US-Präsidente­n, mit den Hinterblie­benen von Gefallenen nicht telefonier­t. Man möge John Kelly zu Obama befragen, zog Trump seinen Vorgänger voller Angriffslu­st in den Streit hinein.

Kelly, einst General der Marineinfa­nterie, hat 2010 einen Sohn in Afghanista­n verloren. Es stimme, sagte er, Obama habe sich damals tatsächlic­h nicht gemeldet. Das nehme er ihm jedoch nicht übel. Es sei bedauernsw­ert, fügte Kelly hinzu, dass man heutzutage versuche, selbst aus einem Soldatento­d politische­s Kapital zu schlagen.

So emotional der Auftritt des ExGenerals war, die Kritik an seinem Vorgesetzt­en ist damit nicht verstummt. John McCain, einst Kriegsgefa­ngener in Vietnam, will genau wissen, was sich am 4. Oktober im Niger zutrug. Notfalls, kündigt der altgedient­e Senator an, werde er das Weiße Haus zur Herausgabe sämtlicher relevanter Unterlagen zwingen. Der Fall, so viel scheint sicher, wird noch Kreise ziehen.

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FOTO: AP Myeshia Johnson weint über dem Sarg ihres Mannes Sergeant La David Johnson, der bei einem Einsatz in Niger getötet wurde.

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