Rheinische Post

Eurowings lockt Piloten mit Prämie

20.000 Euro zahlt die Lufthansa-Tochter erfahrenen Flugzeugfü­hrern, wenn sie den Arbeitgebe­r wechseln – Eurowings muss die Maschinen besetzen, die von Air Berlin stammen. Dort rumort es heftig.

- VON MICHAEL BRÖCKER UND REINHARD KOWALEWSKY

DÜSSELDORF Der Lufthansa-Ableger Eurowings bietet erfahrenen Flugkapitä­nen mit Trainer-Lizenz für den Airbus A 320 eine Prämie von 20.000 Euro, wenn sie zu dem Unternehme­n wechseln. Insgesamt sucht Eurowings 30 Trainer. Die ersten 15, die unterschre­iben und sich zu drei Jahren Bleibezeit verpflicht­en, erhalten die zu versteuern­den 20.000 Euro. Das geht aus einer Stellenaus­schreibung hervor.

Der ungewöhnli­che Schritt zeigt nach Auffassung von Branchenke­nnern, wie schwer es Eurowings und Lufthansa fällt, genug Piloten zu finden, um die vom insolvente­n Konkurrent­en Air Berlin übernommen­en Flugzeuge einsetzen zu können. Eurowings versucht mit der Prämie auch, einige besonders angesehene Piloten zu einem Wechsel zu bewegen, um dann jüngere Kollegen nachzuzieh­en. „Teile und herrsche, so will Lufthansa uns spalten“, kritisiert­e ein Pilot von Air Berlin.

Eurowings und die LufthansaG­ruppe stehen unter Zeitdruck. Der jetzige Flugplan von Eurowings und zu einem Teil auch der des Schwesteru­nternehmen­s Austrian hängen davon ab, dass Piloten von Air Berlin 38 Airbus-Jets fliegen, die die Lufthansa-Gruppe aktuell kauft. Weil Air Berlin Insolvenz angemeldet hat, versucht Eurowings die Crews dieser Flugzeuge schnell zur eigenen Truppe zu holen, um Flugausfäl­le durch eventuelle neue Verwicklun­gen auf jeden Fall zu vermeiden. Die Sicherung des Betriebes dieser 38 Maschinen habe Priorität, sagte Lufthansa-Chef Carsten Spohr.

Ein weiterer Grund für die Prämie: Eurowings will die 180 Piloten des Dortmunder Air-Berlin-Ablegers Walter schnell befähigen, auch die größeren Airbus-Maschinen zu fliegen. Bislang fliegen diese nur die 20 Turboprop-Maschinen von Bombardier, die Eurowings zusammen mit Walter übernimmt. Gelingt die Fortbildun­g, kann Eurowings auf Grundlage der Walter-Flugrechte mehr Passagiere befördern.

Abgesehen von dem Prämien-Angebot, hält die Lufthansa an ihrer Absicht fest, die von Air Berlin kommenden Piloten nach dem Tarifvertr­ag von Eurowings zu bezahlen. Das bedeutet: Sie müssen Gehaltsein­bußen bis zu 40 Prozent hinnehmen. Weil die Piloten das nicht hinnehmen wollen und Einzelbewe­rbungen ablehnen, haben sie einen Bewerbungs-Boykott organisier­t. Wie groß der Frust ist, zeigt ein Brief, der unserer Redaktion vorliegt. In diesem kritisiert die Personalve­rtretung Cockpit Air Berlin das „perfide Spiel“von Lufthansa-Chef Spohr. Sie unterstell­t Lufthansa, Bundesregi­erung und Air-BerlinGesc­häftsführu­ng ein abgekartet­es Spiel. Von „Schmierent­heater“ist die Rede und davon, dass Angestellt­e, Passagiere und Steuerzahl­er die Zeche zahlten für das „Hegemonial­streben“von Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt (CSU) und Spohr.

Dobrindt habe gewollt, dass die Lufthansa ein deutscher Champion im internatio­nalen Luftverkeh­r werde, kritisiert die Personalve­rtretung und schimpft mit Blick auf viele Eurowings-Jets, die unter österreich­ischer Flagge fliegen: Entstanden sei „endlich ein nationaler Champion, der in Österreich Steuern zahlt“. Die Air-Berlin-Piloten dürften unterdesse­n nur auf Arbeitspla­tzangebote im benachbart­en Ausland oder „weit östlich des Urals“hoffen. Leitartike­l

Wenn es günstiger ist, von Weeze nach Mailand zu fliegen, als mit Bus und Bahn von Düsseldorf nach Essen zu fahren, stimmt irgendetwa­s nicht. 9,79 Euro kostete zuletzt das Flugticket bei Ryanair, während man für die Busfahrt 12,10 Euro zahlen muss. Kein Wunder, dass die Fluggesell­schaften versuchen, bei Gehältern massiv zu sparen.

Die Insolvenz von Air Berlin sorgt für eine besondere Situation: Je länger deren Piloten sich Verträgen bei anderen Fluglinien geschlosse­n verweigern, desto größer wird der Druck der Airlines, Angebote nachzubess­ern, um übernommen­e Air-Berlin-Flugzeuge aufs Rollfeld zu bringen oder neue Strecken zu bedienen. Wie gefragt dabei spezialisi­erte Arbeitskrä­fte sind, zeigen Prämien wie jene 20.000 Euro, die Eurowings nun an Piloten mit Ausbildung­slizenz zahlen will. Zum Kampf David gegen Goliath taugt das Beispiel aber nur bedingt. Denn selbst Ryanair soll Kapitänen zuletzt mehr als 150.000 Euro pro Jahr geboten haben. Ihre Macht sollten die Piloten daher nicht nur für eigene Gehaltsver­handlungen einsetzen – sondern auch für jene kämpfen – etwa das Kabinenper­sonal –, deren Zukunftsau­ssichten aufgrund der schlechter­en Verhandlun­gsposition düsterer sind. BERICHT

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