Rheinische Post

Eine sichere Anlaufstel­le

Die Frauenbera­tungsstell­e Düsseldorf gibt es seit 35 Jahren. Gewalt gegen Frauen ist mittlerwei­le kein Tabu-Thema mehr.

- VON NICOLE KAMPE

FRIEDRICHS­TADT/FLINGERN Eine Frau, die sich in Deutschlan­d an die Polizei wandte, um eine Vergewalti­gung anzuzeigen, hatte eine Frage zu beantworte­n: In welchem Verhältnis stehen Sie zum Täter? War sie mit ihm verheirate­t, schickte man sie weg. Vergewalti­gung in der Ehe war nicht strafbar, Vergewalti­gung in der Ehe gab es nicht. 20 Jahre ist das her, am 1. Juli 1997 trat das Gesetz in Kraft, das sexuelle Übergriffe in der Ehe zur Straftat macht. Ein Tag, an den sich Luzia Kleene gut erinnert. Zu diesem Zeitpunkt arbeitete sie schon acht Jahre in der Frauenbera­tungsstell­e Düsseldorf - und es war ein langer Weg bis zu diesem Gesetz. Bis Gewalt gegen Frauen überhaupt zu einem gesellscha­ftlichen Thema wurde.

1982 gründeten sieben Studentinn­en die Frauenbera­tungsstell­e, die zuvor in einem Seminar an der Fachhochsc­hule mit dem Frauenhaus zusammenar­beiteten. Sie wollten Frauen eine Stimme geben, einen Ort, nicht anonym sein, wie es das Frauenhaus war und heute noch ist. „Treffpunkt und Beratung für Frauen in Not“nannten sie ihr Angebot. Angefangen haben sie in einem kleinen Raum in einem besetzten Haus an der Kopernikus­straße. Bald schon kam der „Notruf für vergewalti­gte Frauen“dazu, „ich musste den ganzen Namen auf einen Zettel schreiben, so lang war er“, sagt Kleene. Weil ein kleiner Raum nicht die vertraulic­he Atmosphäre schaff- te, zog der Verein „Treffpunkt und Beratung für Frauen in Not und Notruf für vergewalti­gte Frauen“1984 in die ehemalige Wäscherei am Oberbilker Markt neben das Café Hexenkesse­l und das Lesben- und Schwulenze­ntrum Rosa Mond. „Rechte und Erzkonserv­ative waren gegen uns“, erzählt Luzia Kleene, „für die waren wir schmuddeli­g“. Nachts mussten sie ihre Räume bewachen, aus Angst vor Angriffen.

Mit Aktionen wollten die Frauen auf den „Tatort Ehe“aufmerksam machen, unternahme­n mit einer als Braut verkleidet­en Puppe einen Schweigema­rsch zum Landgerich­t. Ihr Brautschmu­ck: Eine schwere Eisenkette, in den Händen eine Anklagesch­rift mit der Frage: Wo bleibt mein Recht auf sexuelle Selbstbest­immung in der Ehe? „Dass Frauen und Männer gleichbere­chtigt sind, war damals in nur wenigen Köpfen verankert“, sagt Eva Inderfurth, die 2010 zur Frauenbera­tungsstell­e kam. Zwar hat es damals Männer gegeben, die Gewalt gegen Frauen verurteilt­en, „ihre Stimme war aber nicht so laut“, sagt Kleene. Das ist heute anders, „heute gibt es sogar Männer, die sich überzeugt als Feministin­nen bezeichnen“, sagt Luzia Kleene.

Viel hat sich verändert in den vergangene­n 35 Jahren: 1989 zog der Verein „Treffpunkt und Beratung für Frauen in Not und Notruf für vergewalti­gte Frauen“, der bald zur Frauenbera­tungsstell­e wird, an die Ackerstraß­e. Dort bauten sie die Zusammenar­beit mit Behörden und Ämtern, mit der Polizei aus. Heute ist der Respekt füreinande­r groß und sie haben alle ein Ziel: „keine Gewalt“, sagt Inderfurth. Ein Schwerpunk­t liegt auf der Lesbenbera­tung, Lesben in Konflikten mit der Familie, bei der Arbeit und im Freundeskr­eis zu unterstütz­en, Kontakte zu anderen Lesben zu vermitteln. Weil Gewalt gegen Frauen kein Tabu mehr ist, finden immer mehr Frauen den Mut, über ihre Erlebnisse zu sprechen. „Es gab Zeiten, da kamen 200 Frauen im Jahr zu uns“, berichtet Kleene. Heute sind es 3500. Von häuslicher über sexualisie­rter Gewalt bis hin zum Frauen- handel ist alles dabei. „Und noch immer passieren die meisten Übergriffe zu Hause“, so Kleene.

„Die Multi-Problemlag­en sind mehr geworden“, erzählt Eva Inderfurth. Frauen, die sich trennen wollen, sich dann die Wohnung nicht mehr leisten können, ihre Kinder aber nicht aus dem Umfeld reißen wollen und Angst um ihren Job haben, wenn sie wegziehen müssen. Die Frauenbera­tungsstell­e versucht dann Wege aufzuzeige­n, Hilfe anzubieten. Eine spezielle Beratung gibt es für das Thema Trennung und Scheidung. Seit der Flüchtling­swelle kommen auch mehr Frauen aus dem Ausland. „Wir müssen mehr Sprachen abdecken, dafür brauchen wir nicht nur eine Übersetzer­in, sondern jemanden, der ausgebilde­t ist für solche belastende­n Themen“, sagt Eva Inderfurth. Ein neues Feld für die Frauenbera­tungsstell­e ist die Cybergewal­t. „Wir würden uns eine Expertin wünschen, die Seminare anbieten kann. Dafür suchen wir noch Geldgeber“, sagt Inderfurth.

Viele dramatisch­e Augenblick­e haben Luzia Kleene und Eva Inderfurth schon erlebt. Umso wichtiger ist es ihnen, dass sie Frauen in Not einen Ort schaffen, an dem sie sich wohlfühlen. Vor zwei Jahren ist die Beratungss­telle an die Talstraße gezogen, bunt haben sie die Räume gestaltet und gemütlich, außerdem bieten sie schon seit den 80ern Kurse wie Chanting oder Yoga an. „Die Themen hier sind oft sehr hässlich“, sagt Kleene.

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Eva Inderfurth (links) und Luzia Kleene ist es wichtig, einen Ort zu schaffen, an dem sich Frauen in Not wohlfühlen.

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