Rheinische Post

Erwachen in der Zeitschlei­fe

Jugenddram­a über die Frage, was man im Leben anders machen würde.

- VON JACQUELINE BÖHLAND

Auf den ersten Blick wirkt die USamerikan­ische Verfilmung des Bestseller­s „Before I fall“von Lauren Oliver wie eines dieser klischeebe­ladenen Jugenddram­en. Der sperrige Titel „Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie“wurde von der deutschen Übersetzun­g des Romans übernommen, und auch die ebenso unzugängli­ch anmutende Filmhandlu­ng hält sich eng an die Buchvorlag­e. Doch gerade das Unzugängli­che macht diesen Film so besonders: Es geht gar nicht um die Handlung, sondern um die Fragen, die sie aufwirft.

Samantha und ihre Freundinne­n Lindsay, Ally und Elody sind die beliebtest­e Mädchencli­que der Highschool. Am Cupid’s Day, dem örtlichen Valentinst­ag, haben sie nichts zu befürchten: Sie bekommen haufenweis­e Rosen, werden zu einer Party eingeladen und bereiten Sams erste Nacht mit ihrem Freund und Mädchensch­warm Kent vor.

Bis dahin erfüllt der Film das übliche Muster eines Teeniedram­as. Doch dann haben die Mädchen nach der Party einen Unfall – und Sam erwacht erneut am Tag des Cupid’s Day. Eine zweite Chance? Vielleicht.

Als klar wird, dass der Tag dem vorherigen genau gleicht, schleicht sich ein unbehaglic­hes Gefühl in den Film. Sam bemerkt bald, dass jede ihrer Handlungen sich auf den weiteren Verlauf der Geschichte auswirkt. Ganz langsam tritt die große Frage in den Vordergrun­d, die sich wohl jeder irgendwann einmal gestellt hat: Was würdest du anders machen, wenn du könntest?

Sam beginnt, ihr Leben zu hinterfrag­en: Ist Kent der Richtige? Sollte sie ihrem Freund aus Kindertage­n eine Chance geben, auch wenn er nicht an die Seite eines It-Girls passt? Warum ziehen die Mädchen eigentlich dauernd über die Außenseite­rin Juliet her?

Die Fragen dienen nicht der Belehrung des Zuschauers – sie stehen offen im Raum, regen zum Nachdenken an. Man weiß ja selbst oft nicht, welche Konsequenz­en das eigene Handeln nach sich zieht. Zumindest aber sind diese Fragen der Beginn einer Reise, an deren Ende man womöglich weiß, wie dieser eine Tag genau aussehen sollte: ein Tag, den man nicht anders leben möchte, selbst wenn es der letzte wäre.

In einem Film, in dem die Hauptfigur in einer Zeitschlei­fe gefangen ist, gibt es zwangsläuf­ig Wiederholu­ngen. In „Und täglich grüßt das Murmeltier“wurde der Schwierigk­eit durch Humor und das lakonische Spiel von Bill Murray begegnet. In „Wenn Du stirbst, zieht das ganze Leben an Dir vorbei, sagen sie“werden durch die feinen Veränderun­gen im Ablauf der vermeintli­ch gleichen Tage große Lebensfrag­en aufgeworfe­n. Kleinste Verschiebu­ngen bringen den Zuschauer dazu, die Handlung nach und nach in ganz neuem Licht zu sehen, Figuren anders einzuschät­zen. Plötzlich sind Außenseite­r nicht mehr die uninteress­anten Nerds, die eine Teeniekomö­die braucht, sondern spannende Figuren, die eng mit Sams Schicksal verwoben sind. Die Geschichte wirkt wie beiläufig gefilmt und vermittelt so ein Alltagsgef­ühl, in das der Zuschauer schnell hineingezo­gen wird.

Mit jedem neuen Tag in der Zeitschlei­fe, in der Sam gefangen ist, rückt die Frage näher: Was macht ein Leben sinnvoll, reich, lebenswert? Und wie sehr hat man das selbst in der Hand?

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Halston Sage (l.) und Zoey Deutch
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