NRW nimmt Terroristen ins Visier
Die Landesregierung zieht Konsequenzen aus dem Fall Amri. In Düsseldorf soll eine Zentralstelle Terrorismusverfolgung mit 15 Staatsanwälten entstehen. Die Justiz soll um 1135 Stellen wachsen.
BERLIN Vor der heute beginnenden Justizministerkonferenz in Berlin hat NRW-Minister Peter Biesenbach (CDU) eine Offensive im Kampf gegen Terror für Bund und Land angekündigt. „Wir müssen die Bekämpfung von Terrorismus in Deutschland im Strafrecht neu konzeptionell und personell ausrichten“, sagte Biesenbach unserer Redaktion. Im kommenden Jahr will der CDUPolitiker dafür 1135 neue Stellen bei der Justiz schaffen. Allein 194 Richter und Staatsanwälte sollen neu eingestellt werden.
Der Kampf gegen den Terror soll für NRW künftig in der Landeshauptstadt gebündelt werden. „In Düsseldorf werden wir in Kürze eine Zentralstelle Terrorismusverfolgung einrichten“, sagte Biesenbach. 15 Staatsanwälte sollen sich dann ab Ende des Jahres oder Anfang kommenden Jahres ausschließlich um das Thema Terrorismus kümmern. Die neue Zentralstelle soll eng vernetzt mit allen Sicherheitsbehörden arbeiten und landesweit alle Strafverfahren mit terroristischem Hintergrund an sich ziehen. Sie soll auch Diebstahl und Betrug verfolgen, wenn der Täter aus einem terroristischen Umfeld kommt oder terroristische Bestrebungen zu erkennen sind.
Mit der neuen Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft zieht die Landesregierung Konsequenzen aus dem Fall des Attentäters Anis Amri. „Der Fall Amri hat einmal mehr gezeigt, dass wir der Bedrohung durch islamistische Gefährder auch mit Mitteln der Justiz entschlossen entgegentreten müssen“, sagte der NRW-Justizminister.
Der Tunesier Anis Amri hatte vergangenes Jahr am 19. Dezember mit einem Lkw den islamistischen Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Berlin an der Gedächtniskirche verübt. Dabei starben elf Menschen. Dass sich Amri zu diesem Zeitpunkt frei in Deutschland bewegen konnte, war die Folge einer Serie von Behördenversagen.
In NRW steht eine überdurchschnittlich hohe Zahl an Islamisten im Fokus der Behörden. Die Polizei zählt 350 Personen, die zu erheblichen Straftaten bereit sind oder die bei solchen Straftaten helfen würden. Der Vergleich zur Bundesebe- ne: Nach Zahlen des Bundeskriminalamts lebten im Mai deutschlandweit 657 Gefährder und 388 Unterstützer, die auch als „relevante Personen“bezeichnet werden. Demnach hält sich etwa ein Drittel der bundesweit bekannten Gefährder und relevanten Personen in Nordrhein-Westfalen auf.
Die Zahl der Verfahren, in denen es um Terrorismus geht, steigt. Biesenbach beklagt: „Der primär zu- ständige Generalbundesanwalt gibt solche Verfahren vermehrt an die Staatsanwalt schaften der Länder weiter.“Davon landeten besonders viele Verfahren im bevölkerungsreichen Nordrhein-Westfalen.
Auch die beiden weiteren Generalstaatsanwalt schaften in NRW sollen zur Bekämpfung des Terrors deutlich ausgebaut werden. „In Köln werden wir unsere bereits bundesweit aktive Zentral-und Anspre ch stelle für Cyberkr im inalität personell fast auf das Vierfache verstärken.“Dadurch könne man noch stärker als bisher auch online „auf Streife“gehen. Im westfälischen Hamm will die Landesregierung mehr Personal einsetzen, um „illegale finanzielle Sümpfe“trocken zu legen, wie Biesenbach betonte.
Bundesweit will sich NRW für Gesetzes verschärfungen stark machen. So fordert das Land im Anti-Terrorkampf, dass Sympathiewerbung für Terror-Organisationen wieder strafbar wird. NRW will zudem rasch eine EU-Richtlinie umsetzen, nach der auch Reisen zu Terrorzwecken und Terrorausbildung unter Strafe gestellt werden.
Eine Neuaufstellung der Ermittlungsbehörden – nicht nur in Nordrhein-Westfalen – ist spätestens seit dem Fall des Terror-Attentäters Anis Amri überfällig. Das beispiellose Behördenversagen hat die Tat ermöglicht. Gut, dass der NRW-Justizminister nun die Initiative ergreift. Mehr als 1000 neue Justizbeamte sind ein Versprechen, an dem er sich wird messen lassen müssen.
Dreh- und Angelpunkt für eine effektive Bekämpfung von Terror ist nicht nur die gute Personalausstattung, sondern insbesondere eine effiziente Vernetzung der Behörden. Zudem wird man im Kampf gegen die Gefährder nur erfolgreich sein, wenn Behördenmitarbeiter, Polizisten und Justizbeamte persönlich Verantwortung wahrnehmen und jeder Unregelmäßigkeit nachgehen. Es reicht nicht, wenn allein die Politik Konsequenzen aus dem Fall Amri zieht. Alle, die mit möglichen Gefährdern zu tun haben könnten, müssen besondere Aufmerksamkeit walten lassen, damit sich ein solcher Fall nicht wiederholen kann. Zugleich müssen die Ermittler in der elektronischen Kommunikation mit so vielen Vollmachten ausgestattet sein, dass sie möglichen Tätern auch auf die Spur kommen können. Da gibt es noch gesetzliche Lücken.
BERICHT NRW NIMMT TERRORISTEN INS VISIER, TITELSEITE